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Robotermärchen

Robotermärchen

Titel: Robotermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel Mróz
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besonderen Saal hielt er unter einer Glasglocke ein ganz seltenes Wesen, das Homo Anthropos genannt wurde und merkwürdig blaß aussah, zwei Beine hatte und sogar Augen besaß, obschon diese leer waren; der König ließ zwei Rubine in sie hineinlegen, damit Homo mit rotem Blick schauen konnte. Wenn Boludar sich einen Rausch antrank, bat er die nettesten Gäste in diesen Saal und zeigte ihnen das Ungeheuer. Einmal bewirtete der König an seinem Hof einen Elektrologen, der so echt war, daß sich ihm bereits der Verstand in den Kristallen ein wenig trübte, gleichwohl war dieser Elektroweise, mit Namen Halson, ein Schatzkästlein galaktischer Weisheit. Man erzählte sich, er kenne Verfahren zur Auffädelung von Photonen, wodurch leuchtende Halsketten entstünden, auch wisse er, wie man einen lebenden Anthropos fangen könne. Da der König seine Schwäche kannte, ließ er gleich die Keller öffnen; der Elektrologe sprach der Bewirtung zu, und nachdem er aus der Leydener Flasche einen Zug zuviel getan hatte und sich die angenehmsten Ströme auf seinen ganzen Körper verteilten, verriet er dem König das schreckliche Geheimnis und versprach ihm, einen Anthropos zufangen, der Herrscher eines interstellaren Stammes war. Den Preis setzte er hoch an: so viele Brillanten von der Größe einer Faust, wie der Anthropos wiegen werde — doch der König blinzelte nicht einmal bei dieser Forderung. Halson machte sich also auf den Weg, der König begann indes, sich mit der erwarteten Erwerbung vor dem Thronrat zu brüsten, was er übrigens ohnehin nicht hätte verbergen können, da er bereits im Schloßpark, wo die herrlichsten Kristalle wuchsen, einen Käfig aus dicken Eisenstäben bauen ließ. Angst bemächtigte sich der Höflinge. Angesichts der Unnachgiebigkeit des Königs beriefen sie zwei Experten der Homologie an den Hof, die der König wohltuend empfing, weil er neugierig war, was ihm diese Vielwisser, Salamid und Thaladon, von dem blassen Wesen erzählen könnten, das ihm noch unbekannt war.
    „Ist es wahr", fragte er, sobald sie sich von den Knien
    erhoben und ihm die gebührende Verbeugung erwiesen hatten, „daß der Homo weicher als Wachs ist?" „Es ist so, Euer Gnaden!" erwiderten beide. „Stimmt es auch, daß er durch den Schlitz, den er unten am Gesicht hat, verschiedene Laute ausstoßen kann?"
    „Es stimmt, Majestät, daß dieser Homo verschiedene Dinge in diese Öffnung stopft und dann den unteren Teil des Kopfes bewegt, der am oberen Teil mit Scharnieren befestigt ist, wodurch jene Dinge zerkleinert werden und er sie in sich hineinzieht."
    „Eigenartig, dieser Brauch, von dem ich da höre", sagte
    der König. „Aber sagt mir, warum tut er das?" „Es gibt zu diesem Problem vier Theorien, Majestät", erwiderten die Homologen. „Die erste besagt, daß dieser Homo das tue, um sich des Übermaßes an Giften zu entledigen (er ist nämlich über alle Maßen giftig). Die zweite, daß er um der Zerstörung willen so handele, was seine liebste Beschäftigung sei. Die dritte, er tut das aus Gier, weil er alles verschlingen möchte, wenn er nur könnte, die vierte ..." „Schon gut, schon gut!" sagte der König. „Ist es wahr, daß er aus Wasser gemacht und trotzdem undurchsichtig ist wie meine Puppe hier?" „Auch das stimmt! Er hat, o Herr, eine Menge schlüpfriger Röhren in seinem Inneren, darin Wasser zirkulieren; er hat gelbes, perlgraues, vorwiegend aber rotes Wasser — sie führen ein scheußliches Gift mit, das sich Säureerzeuger oder Sauerstoff nennt; dieses Gas verwandelt im Nu alles, was es berührt, in Rost oder in Flammen. Deshalb schimmert er selbst perlgrau, gelb oder rosa. Dennoch bitten wir Majestät untertänigst, davon abzugehen, einen lebenden Homo heranzuschaffen, denn das Geschöpf ist mächtig und bösartig wie kein anderes..." „Das müßt ihr mir genau erklären", sagte der König, um vorzutäuschen, daß er bereit sei, die Ratschläge der Weisen zu befolgen. In Wirklichkeit wollte er nur seine große Neugier befriedigen. „Die Geschöpfe, o Herr, zu denen auch der Homo gehört, heißen die Zittrigen. Zu ihnen gehören die Silikonier und die Proteiden; die ersten sind von festerer Konsistenz, weshalb sie Schliefer oder auch Sülzer genannt werden; die anderen, die seltener vorkommen, werden bei den einzelnen Autoren unter verschiedenen Bezeichnungen geführt, so zum Beispiel als Leimer oder Geleimte bei Pollomeder, als Schlüpfer oder Kleber bei Trizephalos von Arborida, bei Analzimander

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