Robur der Sieger
erleuchtete.
Die an Bord jetzt deutlich sichtbaren Gestalten nahmen ein
halb teuflisches Aussehen an. Alle erwarteten regungslos,
ohne einen Schrei, ohne mit den Muskeln zu zucken, die
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entsetzliche Minute, in der dieser Hochofen sie mit seinen
Flammen umhüllen würde.
Der Orkan aber, der die ›Albatros‹ mit sich fortriß, ret-
tete sie auch vor dieser schrecklichen Katastrophe. Die von
dem Sturm niedergedrückten Flammen des Erebus gaben
ihr den gefährlichen Weg frei, und inmitten eines Hagels
von Lavastücken, die durch die zentrifugale Bewegung der
Auftriebsschrauben glücklicherweise weggeschleudert wur-
den, kam sie glücklich über diesen in voller Eruption be-
griffenen Krater hinweg.
Eine Stunde später verdeckte schon der Horizont die
beiden kolossalen Flammen, die das Ende der Welt wäh-
rend der langen Polarnacht erleuchten.
Um 2 Uhr morgens kam man an der Insel Ballery und
zwar am Rand der Küste der Entdeckung vorüber, ohne
diese jedoch erkennen zu können, da auch sie mit den Po-
larländern durch festes Eis verkettet war.
Mit dem Austritt aus dem Polarkreis, den die ›Albatros‹
unter dem 75. Meridian durchschnitten hatte, trug sie der
Orkan über die Packeismassen und die Eisberge hinweg, an
denen sie hundertmal zu zerschellen drohte. Sie war eben
nicht mehr in der Hand ihres Steuermanns, sondern nur in
der Hand Gottes, und Gott ist ja der beste Pilot.
Der Aeronef folgte nun wieder dem Meridian von Paris,
der mit dem, unter dem er die antarktische Welt betreten
hatte, einen Winkel von 105 Grad bildet.
Endlich, jenseits des 60. Breitengrads, schien die Kraft
des Orkans zu erlahmen. Seine Schnelligkeit nahm merk-
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lich ab. Die ›Albatros‹ wurde wieder mehr ihrer selbst Herr.
Ferner kam sie jetzt, was eine große Erleichterung gewährte,
wieder in die erleuchteten Teile der Erdkugel, und um 8 Uhr
morgens brach der Tag an.
Nachdem Robur und seine Leute dem Wirbelsturm des
Kap Horn glücklich entgangen waren, hatten sie nun auch
diesen Orkan überstanden. Sie waren über das ganze Süd-
polargebiet weg, nachdem sie binnen 19 Stunden an die
7.000 Kilometer zurückgelegt hatten, wieder nach dem Stil-
len Ozean getrieben worden, und da sie für eine Meile nur
eine Minute gebraucht hatten, war ihre Schnelligkeit dop-
pelt so groß gewesen, als sie die ›Albatros‹ unter gewöhn-
lichen Umständen hätte entwickeln können.
Infolge der Störung des Magnetismus ihrer Kompaßna-
del im Polargebiet, wußte Robur nun aber nicht mehr, wo er
sich befand. Er mußte also warten, bis die Sonne unter hin-
reichend günstigen Verhältnissen schien, um eine direkte
Beobachtung zu gestatten. Unglücklicherweise bedeckten
dichte Wolken an diesem Tag den Himmel, und die Sonne
wurde überhaupt nicht sichtbar.
Das war für alle desto betrübender, weil die beiden An-
triebsschrauben während des Sturms einige Beschädigun-
gen erlitten hatten.
Sehr verstimmt durch diesen Unfall, konnte Robur wäh-
rend des ganzen Tages nur mit stark verminderter Geschwin-
digkeit weiterfahren. Als die ›Albatros‹ über den Antipoden
von Paris schwebte, legte sie nur 6 Meilen in der Stunde zu-
rück, denn sie mußte sich wohl hüten, die Beschädigungen
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zu verschlimmern. Versagten ihre beiden Antriebsschrau-
ben etwa ganz vollständig den Dienst, so wurde die Lage
des Aeronefs über dem ungeheuren Stillen Ozean sehr miß-
lich. Der Ingenieur fragte sich auch schon, ob er die nötigen
Ausbesserungen nicht an Ort und Stelle vornehmen lassen
sollte, um die Fortsetzung der Reise zu sichern.
Am Morgen des 27. Juli wurde da ein Land im Norden
gemeldet.
Man erkannte bald, daß es eine Insel war; doch welche
von den Tausenden, die im Pazifischen Ozean verstreut
liegen? Nichtsdestoweniger beschloß Robur hier haltzu-
machen, doch ohne auf die Erde selbst zu gehen. Seiner
Ansicht nach mußte ein Tag reichen, die Havarien auszu-
bessern, und er meinte dann denselben Abend wieder wei-
terfahren zu können.
Der Wind hatte sich – ein günstiger Umstand zur Aus-
führung jenes Vorhabens – fast vollständig gelegt. Da sie
nun anhalten sollte, konnte die ›Albatros‹ wenigstens nicht
nach unbekannten Gegenden verschlagen werden.
Man ließ also ein mit einem Anker versehenes 150 Fuß
langes Kabel von dem Luftschiff herunter. Als der Aeronef
an den Rand der Insel kam, faßte der Anker an den ersten
Klippen und
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