Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Frank Hanebuth preisen, der in seiner Freizeit einem Kiezmagazin mit erheblicher Rockernähe zugearbeitet hatte. Erst als dieser Umstand öffentlich kritisiert wurde, entließ die Zeitung den Redakteur. Inzwischen macht der frühere Gerichtsreporter PR -Arbeit – unter anderem zur Unterstützung von Verteidigern, um der »Meinungsmache von Polizei und Staatsanwaltschaft« entgegenzutreten, wie auf seiner Homepage zu lesen ist.
Nach dem Mord an dem Hells Angel Robert K. im Mai 2007 und dem anschließenden Prozess in Münster, der das Interesse an den Clubs noch einmal befeuerte, begannen auch überregionale Medien, über die Rockerszene zu berichten. Sie konzentrierten sich jedoch vor allem auf deren hässliche Seiten, schrieben über Rotlichtgeschäfte und Gewalt, Waffen und Durchsuchungen, vor Gericht ging es schließlich um Mord.
Die Gangs versuchten, sich dieser Welle schlechter Presse entgegenzustemmen. Besonders kritische Journalisten erhielten schon einmal böse Anrufe, wurden beschimpft und bedroht, das war das eine. Zum anderen aber guckten sich die Clubs Reporter aus, mit denen sie einen Deal machen konnten: Exklusivität und Nähe gegen eine einigermaßen wohlwollende Berichterstattung. Auf diesen Handel ließen sich manche ein.
So erschien am 17. Januar 2008 in der Illustrierten »Stern« eine Hymne auf die Hells Angels, wie es sie bis dato in der deutschen Presselandschaft noch nicht gegeben hatte. Unter der Überschrift »Wilde Brüder« beschrieb ein feingeistiger Reporter die Höllenengel als ziemlich biedere Familienväter und Geschäftsleute. Der preisgekrönte Journalist schien tatsächlich überrascht zu sein, dass viele Altrocker ein Privatleben haben und darin ziemliche Normalos sein können – mit Eigenheim und Kindern und Frauen und Familienfeiern und alltäglichen Sorgen. Staunend dichtete der Erfolgsautor:
Sind es die Bizeps? Die tätowierten Gladiatorenkörper in Lederkutten mit dem Totenkopf auf dem Rücken? Ist es diese immer leicht schwingend bewegte Körpermasse, das durchgestreckte Kreuz? Kampfstiere auf strotzenden Harleys. Muskeln, Motoren, archaische Männlichkeit – Hells Angels umgibt ein Kraftfeld. (…)
An der Theke lehnen, zwei Meter hoch, 130 Kilo Kampfgewicht. Energisches Kinn, Muskeln wie Marmor und Fäuste wie Haubitzengranaten. Das ist Frank Hanebuth. Seine Worte Hammerschläge, jeder Satz eine gemeißelte Gesetzestafel.
Viele Spitzenbeamte aus den Spezialabteilungen bundesdeutscher Landeskriminalämter reagierten mit Entsetzen auf diesen Artikel. In ihren Augen war der mit Fotos bodybuildender oder Harley-fahrender Hells Angels angereicherte Text ein einziger PR -Coup der Gang. Es gab auch Rocker, die insgeheim über die Naivität des Autors lachten. Aber natürlich taten sie das nicht öffentlich, dem stand die Hierarchie ihres Clubs entgegen, schließlich hatte die Führung die Besuche des interessierten Schreibers erst möglich gemacht.
Der Journalist erklärte Jahre später in einem Interview, er habe ein »anderes Bild« der Angels zeichnen wollen, eines, das sich nicht aus Polizeiquellen speise, wie es bei vielen Kollegen der Fall sei, die zur Pflege ihrer Kontakte allzu bereitwillig eine »Tendenz der Strafverfolgungsbehörden unreflektiert« übernähmen und »Verdächtige kriminalisierten«. Notwendig sei vielmehr eine »Fusselarbeit« vor Ort wie damals bei der Watergate-Recherche – nicht weniger habe er leisten wollen.
Im Gegensatz aber zu dem amerikanischen Politskandal, in dessen Folge der US -Präsident Richard Nixon schließlich sein Amt niederlegen musste, wirkten Hannovers Hells Angels mit der Berichterstattung im »Stern« durchaus zufrieden. Der Reporter durfte wiederkommen, anlässlich des öffentlich zelebrierten Friedensschlusses von Hannover ein Exklusivinterview führen und mit der Bande Weihnachten feiern.
Eine solche Einladung ereilte auch einen jungen Politik-Redakteur der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«, der sich in der Vergangenheit anscheinend ebenfalls als Rocker-Versteher ausgezeichnet hatte. Über seine aufregenden Stunden mit den Hells Angels veröffentlichte er jedenfalls am 25. Dezember 2011 einen bemerkenswert eindimensionalen Artikel mit der Überschrift »Weihnachten unter Höllenengeln«, in dem es unter anderem hieß:
Frank Hanebuth stand vor dem Festzelt. Er schüttelte die Hände, die sich ihm entgegenstreckten. Ein Riese, gebaut wie ein Stier. Er hatte diesen Körper genutzt und geformt. Als Halbstarker
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