Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
Vom Netzwerk:
gleichen Bilderbrei serviert: grauhaarige Anzugträger, faltige Gesichter, Frauen in Kostümen, freundliches Händeschütteln vor blauem Hintergrund.
    Da war das, was die Journalisten 2007 im vorweihnachtlichen Münster sahen, schon von ganz anderer Qualität. Zu dem Prozess gegen die Mörder des Hells Angels Robert K. marschierten 600 Rocker auf, Hells Angels und Bandidos. So ein Bild hatte es in Deutschland seit vielen Jahren nicht gegeben, in dieser zutiefst bürgerlichen Stadt standen sich auf einmal zwei verfeindete Heere gegenüber, in abgewetzten Kutten, mit breiten Schultern, verlebten Gesichtern, langen Haaren, zerschlagenen Nasen, Narben und vor allem mit wilder Entschlossenheit im Blick. Eine fiebrige Spannung lag über der Szenerie.
    Dazu kamen mehr als 1000 Polizisten: Man sah Maschinenpistolen, Absperrgitter, Leibesvisitationen, Sicherheitsschleusen. Die Kameras klackten und surrten, es war ein Festival der Impressionen, auch wenn kaum einer der Beobachter verstand, wer diese Rocker waren und was sie taten. Doch die Aura der Gewalttätigkeit, die sie verbreiteten, faszinierte selbst die friedlichsten unter den Augenzeugen. »Die Bilder sind bombe«, sagte ein Kameramann.
    Und sie sollten noch besser werden. Zur Urteilsverkündung im Juni 2008 ritten die Rocker dann auf ihren Harleys in die Stadt. Um 12.05 Uhr, High Noon, die Polizei hatte gerade die Autobahn 1 für den normalen Verkehr gesperrt, donnerten die schweren Maschinen von einer Raststätte los – es war, als täte sich die Erde auf.
    Einem Zug moderner Raubritter gleich fuhren sie an, Hunderte Hells Angels auf ihren Maschinen, muskelbepackte, tätowierte Kerle, die den Eindruck erwecken wollten, unbesiegbar zu sein, und dabei doch vor allem ihren großen Auftritt genossen: »Gesetzlose« auf einem Laufsteg aus Asphalt. Das Empfangskommando der Polizei am Stadtrand von Münster fiel daher in den Augen der Rocker standesgemäß aus: Straßensperren, Panzerwagen und Spezialeinsatzkräfte mit halbautomatischen Waffen im Anschlag – solche Bilder waren seit dem Ende des Deutschen Herbstes selten, weshalb erneut die Kameras surrten und klackten und die Reporter eifrig Notizen in ihre Blocks kritzelten.
    Die Hells Angels wollten Stärke zeigen, gegenüber den Kontrahenten der Bandidos und der Staatsmacht. Das war das eine. Zum anderen aber gebot ihnen der Respekt vor ihrem »gefallenen« Kameraden Robert K. einen deftigen und imposanten Auftritt. Dabei ahnten die Rocker wohl nicht, wie sehr sie mit dieser öffentlichen Machtdemonstration die Polizei reizen würden – und die Presse. An diesen beiden Tagen in Münster nämlich zeigte sich, was sich in den Folgejahren vielfach wiederholen würde. Die Medien, vor allem die elektronischen sowie die Boulevardpresse, lechzen nach Bildern, um überhaupt berichten zu können. Keine Motive, keine Beiträge – so einfach ist das.
    Da trifft es sich gut, dass es genau eine Gruppierung der Organisierten Kriminalität gibt, die sich nicht ausschließlich konspirativ verhält und spannende Aufnahmen mit großer Selbstverständlichkeit zulässt – die Rocker. Ihr Exhibitionismus schien lange Zeit grenzenlos zu sein. Auf die selbstgestellte und etwas klagend klingende Frage »Warum wir?« antworten drei führende europäische Hells Angels in einem internen Strategiepapier der Gang: »Einer der Hauptgründe ist, dass wir mit unserem Lebensstil hochgradig sichtbar sind.«
    Was sich darüber hinaus von Vorteil erwies für das Berichterstattungsdauerfeuer, das nach dem Prozess von Münster einsetzte, war Folgendes:
    Erstens sind Rocker als solche meistens leicht zu erkennen, und sie bestreiten die Zugehörigkeit zu ihren Clubs auch nicht. Filmen Journalisten hingegen einen einschlägig bekannten italienischen Gastronomen und verbreiten anschließend, er sei Mitglied der Cosa Nostra, werden sie mitunter sehr unangenehme Erfahrungen machen, bestenfalls noch mit dessen Anwälten. Bei Hells Angels und Bandidos fällt die Berichterstattung also deutlich leichter, pflegen sie doch neben ihren verborgenen illegalen Geschäften auch eine öffentliche Seite.
    Zweitens sind bei den allermeisten Auseinandersetzungen in der Rockerszene die Fronten klar. Bandidos gegen Hells Angels – das kriegt jeder Redaktionspraktikant sortiert. Bei der Identifizierung der Beteiligten helfen die knalligen Schriftzeichen auf den Kutten, die verraten, zu welchem Club der Betreffende gehört, woher er stammt, welche Stellung und vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher