Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
»Es gibt Menschen, die leben angeblich hier und jetzt. Und es gibt Menschen, die sich entschieden haben, in einer anderen Welt zu leben.« Sodann durften eine ganze Reihe Anführer des Clubs die angeblichen Qualitäten der Hells Angels preisen: »Treue und Respekt dem anderen gegenüber stehen an erster Stelle«, behauptete etwa Frank Hanebuth. Unterlegt war das Ganze mit treibender Musik und markigen Bilder: Angels beim Kickbox-Training, gemeinsame Ausfahrten, Keilereien mit der Polizei.
Der Mythos der Hells Angels gründet seit jeher auch auf dem geschickten Umgang mit Medien. In Filmen, Büchern und Zeitungsartikeln ließen sich schon die kalifornischen Gründerväter der Bande feiern und schufen auf diese Weise ein Image, das seither Zehntausende Männer weltweit in den Bann der bekanntesten und mächtigsten Rockerbande zog. Den Hells Angels gelang es, eine Marke zu werden, ein Exportschlager wie Coca-Cola oder Marlboro.
Als der Gottvater der Hells Angels, Sonny Barger, seine Biografie verfilmen lassen wollte, musste darüber das Welttreffen der Höllenengel-Anführer befinden. Zwei Drittel der Charter-Präsidenten stimmten schließlich dafür, woraufhin im Juni 2001 ein Vertrag zwischen der in Kalifornien ansässigen Hells Angels Motorcycle Corporation und der Twentieth Century Fox Film Corporation geschlossen werden konnte.
In dem neunseitigen »Trademark License Agreement« verständigten sich die Parteien unter anderem darauf, dass die Höllenengel 2,5 Prozent aus dem Nettogewinn des Streifens erhalten würden. Dafür räumten sie der Filmfirma im Gegenzug die vorübergehende Nutzung bestimmter Markenrechte ein. Zudem setzten die Rocker einen sogenannten »Patch Wrangler« durch. Dessen einzige Aufgabe wäre es, den Schauspielern nach Drehschluss die Kutten wieder abzunehmen und sicher aufzubewahren. Auf dass keine verloren geht oder in Umlauf gerät.
Doch cineastische Großkunstwerke sind ein vielleicht schon veraltetes Mittel der Legendenbildung. Heute springt der Rocker-Nachwuchs vor allem auf die Filmchen an, die im Internet kursieren. Manche davon sind Fernsehberichte, manche semiprofessionell gemachte Musikvideos, in denen den Gangs gehuldigt wird.
»Die 8 und die 1 steht auf den Kutten, SEK und Bullen, sind die, auf die wir spucken«, reimt der Gangsterrapper Kan etwa in seiner Hymne auf einen Unterstützerclub der Angels. Und weiter: »Es ist Zeit, wenn der General schreit, holt die Kutten, wir ziehen in den Kampf. (…) Ich schwöre Treue bis in den Tod auf Rot-Weiß.« Hannovers Hip-Hopper Memo wiederum, der schon einmal einen Clip mit Hells Angels als Statisten in einer Kirche drehte, fordert in einem Video: »Support Frank Hanebuth!«
Diese ausgeklügelte Imagekampagne verfehlt ihr Ziel nicht. Gerade junge Männer aus den Problembezirken deutscher Großstädte haben in Internetportalen wie YouTube die Prominenz der Bande entdeckt und wollen nun unbedingt dazugehören. Sie erhoffen sich Sinn, Abenteuer, Zusammenhalt und vor allem Respekt.
Oder, wie es Hells-Angels-Sprecher Rudolf »Django« Triller im Januar 2008 in einem Video-Interview mit »Stern.de« formulierte: »Immer dann, wenn Hells Angels in Deutschland von den Behörden unter großen Druck gesetzt worden sind, (…) haben wir uns danach (…) rasanter weiterentwickelt als vorher. Deswegen sage ich zu den Behörden: ›Gebt Gas, wir überleben das, ihr macht uns nur stärker!‹«
Im Jahr 2012, nachdem nicht nur die deutschen Behörden massiv gegen die Hells Angels vorgegangen sind, verfassen drei führende europäische Köpfe der Bande ein Strategiepapier. »Dieses Dokument«, prangt auf der ersten Seite der Ausarbeitung, »ist nur zur internen Verwendung«, darunter der Titel: »Vorschlag: Betrifft die internationale Polizei- und Regierungsoffensive gegen den Hells Angels Motorcycle Club«.
Auf vielen Seiten beklagen die einflussreichen Rocker das von der Presse angeblich unkritisch begleitete Vorgehen der Polizei gegen die Clubs. Die Medien hätten sich von den Behörden vereinnahmen lassen, es sei mittlerweile ein »Staatsterror« im Gange, der annähernd vergleichbar sei mit dem, »was den Juden vor dem Zweiten Weltkrieg widerfahren« sei. Es gehe daher nun um nicht weniger, als das Clubleben der Hells Angels zu retten.
Die Autoren des Papiers, darunter der deutsche Clubsprecher Rudolf »Django« Triller, machen sodann einige Vorschläge, wie die Rocker dem zunehmenden staatlichen Druck begegnen könnten. »Das
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