Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
bei den Hells Angels und den Bandidos vor sich gehen wird, ahnt die Polizei aber zu diesem Zeitpunkt noch nichts, denn die Quellenlage der Ermittler in der Szene ist eher lausig. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ( SPD ) soll deswegen später noch einen seiner gefürchteten Tobsuchtsanfälle bekommen.
Gerade ist die Sonne wieder hinter den Wolken verschwunden, als knapp 100 Männer, stiernackig, durchtrainiert und geeint vom Hass auf den Staat, langsam in der kleinen Seitenstraße im Ostberliner Stadtteil Weißensee eintrudeln. Nicht alle haben einen Führerschein, nur ein paar fahren Harley. Das Vereinsheim, gestrichen in den rot-goldenen Farben der Bandidos, gleicht einer Trutzburg. Die Tür ist aus Stahl, die Fenster vergittert, Kameras überwachen den Bereich vor dem Eingang. Was drinnen passiert, erfährt die Öffentlichkeit normalerweise nicht.
An diesem Nachmittag beherrscht eine Art Kommando Ost der Hells Angels aus Berlin, Potsdam und Cottbus die Szenerie. Die Truppe um »Nomads«-Anführer André Sommer trägt Rot-Weiß, die Farben der Höllenengel. Die 18 Hausherren von den Bandidos sind hingegen in Zivil gekommen. In den nächsten Stunden werden hier bis weit nach Mitternacht führende Rocker über Strategie und Taktik beraten, denn sowohl das Hells-Angels-Charter »Nomads«, als auch die anwesenden Bandidos glauben, sie seien Ziele geplanter Razzien.
Nur Hells-Angels-Anführer Kadir Padir, 28, Chef der Gang »Berlin City«, ist entspannt. Dem sei »total egal, was passiert, der will das volle Programm«, so schätzt einer, der dabei war, die Situation ein. Padir, ein muskelbepackter Ex-Boxer, der mittlerweile gut und gerne 100 Kilogramm Wettkampfgewicht auf die Waage bringt, gilt damals noch als ungekrönter Chef der Berliner Hells Angels. Rund 30 Stunden später wird auch Padir wieder Zivilist sein: Die Polizei verbietet seinen Club, in der Hauptstadt ist das eine Premiere.
Chronik eines Verbots
Im Oktober 2011 treffen sich in kleiner Runde Ermittler aus dem LKA Berlin und Mitarbeiter der Senatsinnenverwaltung. Thema der Zusammenkunft ist ein mögliches Verbot der Hells Angels »Berlin City«. Irgendwie will man die »Sache« jetzt mal angehen, und wie es sich für eine Behörde gehört, wird als Erstes eine Arbeitsgruppe gegründet. Die AG »Chamäleon« soll alles zusammentragen, was es an »polizeilichen Erkenntnissen« gegen die Rockergruppe gibt. Chefin ist eine Kriminaloberkommissarin, die intern als »hart gegen sich und gegen andere« eingestuft wird. Es ist eine kleine, aber feine Truppe, die innerhalb weniger Wochen das Verbotsverfahren vorantreiben will.
Akribisch listen die Berliner Beamten auf, welche Charter der Hells Angels und welche Chapter der Bandidos besonders kriminell sind. Es werden Polizeidaten abgefragt, Gerichtsakten ausgewertet, Statistiken angelegt und die zuständigen Fahnder um Stellungnahmen gebeten. Da kommt in der Hauptstadt einiges zusammen.
POLIZEIPROTOKOLL (GEKÜRZT)
Am 30.04.2012 überprüften Einsatzkräfte der Dir 4 den Pkw DB E-Klasse Kombi, in der Frankfurter Allee Berlin. Führer des Pkw war Herr Kadir PADIR.
Herr PADIR war mir aus meiner bisherigen polizeilichen Tätigkeit als Mitglied des Hells Angels MC »Berlin City« bekannt.
Während der Maßnahmen trat Herr PADIR immer wieder an das Fahrzeug und schlug die Kofferraumhaube zu. Gegen 14.23 Uhr richtete er sich an mich sinngemäß mit den Worten: »Das gefällt dir? Da geilst du dich richtig dran auf! Hast du schon einen Steifen?«
Ich versuchte Herrn PADIR nochmals die Maßnahmen zu erläutern, doch dieser winkte lediglich ab und sagte in meine Richtung: »Quatsch mich nicht voll. Mach deine Maßnahmen, aber lass mich in Ruhe!« Danach drehte er sich weg und sagte laut und deutlich: »Hurensohn!«
Wir beide standen nun auf dem Bordstein des Gehweges (…), als sich Herr PADIR zu mir drehte und sagte: »Wir sehen uns noch mal privat!« Ich fragte Herrn PADIR nun, ob dies eine Drohung gegen mich sein soll, da sagte Herr PADIR zu mir: »Nein. Da können wir doch mal einen Kaffee trinken bei Lidl. Wenn ich dich bedrohen wollen würde, würde ich dir sagen, dass ich dir dann auf die Fresse haue!«
Nach einer kurzen Pause sagte er zu mir: »Du hast keine Ahnung. Mit Geld erreicht man eine Menge!«
Gelesen und Unterschrieben: Kennziffer: 195XX
Ende Februar, die Verbotsakte ist schon ziemlich umfangreich, schicken die Polizisten ihre Materialsammlung an die übergeordnete Behörde.
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