Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
heißt.
Interessanter aber als ihr Ende ist der Beginn dieser Höllenengel-Niederlassung – weil er typisch dafür ist, wie die Gangs sich im Rockerkrieg verstärkt haben. Im Oktober 2008 nämlich verleiben die Hells-Angels-Bosse das Chapter »Cologne« des Motorradclubs Gremium, damals schon unter der Führung des Günter L., geschlossen ihrer Bande ein. Man kann auch sagen, sie locken L. und seine Männer, die daraufhin die Seiten wechseln. Die Rocker reden zwar gerne und viel von der lebenslangen Treue einer echten Bruderschaft, doch wenn eine andere Gang bessere Konditionen oder Perspektiven bietet, brechen die Männer häufig mit ihrem bisherigen Club. Ein bisschen erinnert das an manche Ehe.
Und auch in anderer Hinsicht ist es mit der Brüderlichkeit in den Gangs mitunter nicht weit her. Denn in der Domstadt am Rhein gibt es damals schon ein kleines Hells-Angels-Charter, »Cologne City« geheißen. Als sich diese Truppe im Frühjahr 2009 erdreistet, ihr Clubhaus auf die prestigeträchtige Kölner Partymeile verlegen zu wollen, kommt es zum Showdown – mit den eigenen »Brüdern«.
Unter einem Vorwand werden der Anführer Roger M. und sein Stellvertreter Dieter E. in ihr Vereinsheim bestellt. Dort fällt eine Übermacht über die beiden her und drischt sie zusammen. Nach Erkenntnissen der Polizei handelt es sich bei den Schlägern ebenfalls um Hells Angels – aus Köln, Bonn und Singen. Die Opfer werden anschließend aus der Gang ausgeschlossen, ihr Charter geschlossen, die bisherigen Gefolgsleute wechseln zu anderen Ablegern der Höllenengel.
Offiziell begründen die Rocker diese drakonische Maßnahme damit, dass Roger M. und Dieter E. Gelder der Bande veruntreut haben sollen. Doch zum einen bestreiten die Beschuldigten das vehement, zum anderen gehen auch die Behörden von anderen Hintergründen aus. Schließlich darf sich der angeblich in Ungnade gefallene Roger M. ziemlich schnell wieder einem Hells-Angels-Charter andienen. Doch in Köln – und das könnte eher das ausschlaggebende Motiv gewesen sein – gibt es jetzt nur noch eine Höllenengel-Dependance. Bis am 18. April 2012 auch diese schließen muss.
Eine gute Woche nach dem Verbot der Kölner Hells Angels, es ist immer noch Wahlkampf im Westen, trifft es zur Abwechslung wieder einmal die Bandidos. Am 26. April verbietet NRW -Innenminister Jäger das Aachener Chapter und lässt dem bereits in Untersuchungshaft sitzenden Anführer der Bande, Rafael S., um genau 5.08 Uhr eine entsprechende Verfügung übergeben. Der Besuch zu dieser frühen Stunde lohnt sich doppelt, denn die Beamten finden in der Zelle von Rafael S. noch ein Handy und stellen es sicher – doch das nur am Rande.
»Ferner werden«, heißt es später in einer vertraulichen Lagemeldung der im Kölner Polizeipräsidium eingerichteten Sonderkommission »Birke«, »durch Kräfte des LKA NRW um 9 Uhr für zwei Konten bei der Sparkasse Neuwied mit einem Vereinsvermögen von 4500 Euro Kontobeschlagnahmebeschlüsse vollstreckt.« Man lerne: Auch Rocker bewahren ihr Geld nicht unbedingt in der Satteltasche einer Harley auf.
Mittags, im fünften Stock seines Ministeriums in der Düsseldorfer Haroldstraße, erklärt der Innenminister dann, was ihn zu dem Verbot bewogen habe: Die Bandidos hätten »sich abgeschottet, eigene Regeln aufgestellt und sich bewusst gegen die Grundwerte der Gesellschaft gestellt«, sagt Ralf Jäger. Tags zuvor hatte der SPD -Politiker seine Truppen schon gegen eine rechtsextreme Organisation im Bergischen Land losgeschickt.
»Wenn er könnte«, witzelt ein Journalist nach der Pressekonferenz über den umtriebigen Politiker und überzeugten Sozialdemokraten im Wahlkampf, »würde er morgen noch die CDU verbieten.«
Die Rocker reagieren
Die Hells Angels aber nehmen dem Staat schon bald die Mühe ab, weitere Ortsvereine verbieten zu müssen. Nachdem auch noch der Berliner Innensenator Frank Henkel ( CDU ) Ende Mai 2012 das berüchtigte Migranten-Charter »Berlin City« hat schließen lassen und die dortigen »Nomads« aus Angst vor einem Verbot ins Brandenburgische geflüchtet sind, ziehen die Rocker selbst den Stecker.
Handstreichartig machen die Höllenengel ihre größten, mächtigsten und prestigeträchtigsten Ortsvereine dicht: Bremen und Hannover. »Mit dem heutigen Datum«, teilen sie am 27. Juni 2012 auf einer einschlägigen Internetseite mit, hätten sich die Hells Angels »Hannover« »aufgelöst«. Ihr bisheriger Anführer, Frank Hanebuth, sagt tags
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