Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Zuständig ist ab sofort der Beamte P. aus der Innenverwaltung – und der hat es nicht besonders eilig. P. wird schließlich nach Stunden und nicht nach vollzogenen Verboten bezahlt. Da habe einer offenbar die Berliner »Dit wird schon«-Mentalität verinnerlicht, sagt ein LKA -Fahnder frustriert.
Pikant an der Sache ist auch, dass bereits 2008 schon einmal ein Verbotsverfahren gegen die Rockergang von Kadir Padir anhängig war, auch damals war der Beamte P. zuständig. Padir hatte seinerzeit noch als Bandidos-Boss des Chapters »Berlin Centro« Angst und Schrecken in der Szene verbreitet, doch das Verfahren gegen ihn wurde nicht zu Ende gebracht.
Neben dem schleppenden Fortgang des Verfahrens sind die Ermittler jedoch auch aus einem anderen Grund alarmiert: Sie bemerken, dass sich die Berliner Rocker auf das angeblich so geheime Verbotsverfahren einstellen wollen. Innerhalb des Landeskriminalamts spricht sich herum, dass die Banden wohl »Bescheid wissen«.
Außerdem gibt es an der Spitze der Polizei gerade ein Machtvakuum. Dem alten Innensenator Ehrhart Körting ( SPD ) ist es über Monate nicht gelungen, einen Polizeipräsidenten in den Ruhestand zu verabschieden und bei der Gelegenheit auch einen neuen zu installieren. So führt Margarete Koppers, eine 50 Jahre alte Juristin, die Behörde kommissarisch. Schon jetzt legendär ist ihr Auftritt während der Randale-Demonstrationen am 1. Mai 2012: Getarnt mit Sonnenbrille und Baseballmütze macht sie sich zum Gespött der Hauptstadtpresse.
Offensichtlich aber hat Koppers nicht nur ihre öffentlichen Auftritte, sondern auch die Truppe nicht so recht im Griff, denn im Landeskriminalamt am Platz der Luftbrücke geht es zeitweise drunter und drüber. In der Folgezeit entbrennt zwischen LKA und der zuständigen Abteilung beim Innensenator ein veritabler Streit. Ständig fragt Ermittler Bernd Finger an, warum die Sache nicht vorangehe, was da los sei. Der Beamte P. wiederum teilt den frustrierten Polizisten mit, er könne sich frühestens Anfang Juni als Termin für das Verbotsverfahren vorstellen. Beim nächsten Telefonat zwischen Innenverwaltung und LKA ist es dann schon Ende Juni. »Herr P. wollte noch seinen Jahresurlaub nehmen«, so ein Ermittler.
Doch auch im LKA gibt es Streit. Aus diversen Abteilungen werden der zuständigen Kriminaldirektorin Heike Rudat Unfähigkeit und Missmanagement vorgeworfen, auf den Fluren der Behörde soll es heftige Wortgefechte gegeben haben. In einer Sitzung mit einem guten Dutzend Fahndern erklärt Rudat, sie wolle persönlich das Schild vom Clubheim der Hells Angels abschrauben. Und so lange müsse eben gewartet werden.
Der Verrat
Am 24. Mai 2012 unterschreibt der Berliner Innensenator Frank Henkel ( CDU ) die endlich fertiggestellte Verbotsverfügung. Unklar bleibt, warum darin ein Briefkopf aus der Zeit des vorherigen Innensenators Erhard Körting ( SPD ) Verwendung findet. Für mögliche Nachfragen zu dem Verwaltungsakt ist zudem die Nummer 030-90272710 angegeben. Jedoch: »Diese Rufnummer ist uns leider nicht bekannt«, meldet sich die Stimme der Telekom. Auch die Faxnummer ist nicht erreichbar. Es beschleicht einen das Gefühl, dass die Verfügung schon fast zwei Jahre alt sein könnte. Die zuständige Innenverwaltung spricht später von einem »Versehen«.
In Berlin schreitet man derweil zur Tat. Aus dem restlichen Bundesgebiet werden zusätzliche Polizeikräfte angefordert. Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sagen Hilfe zu, und kurz darauf wissen auch schon die Berliner Hells Angels, dass es am 30. Mai 2012, einem Mittwoch, losgehen wird. Nur welches ihrer Hauptstadt-Charter vom Vereinsverbot betroffen sein wird, ist den Rockern noch nicht vollständig klar.
Es kann ihnen aber auch ziemlich egal sein, denn längst sind sie auf alle Eventualitäten vorbereitet. Ein Informant hatte SPIEGEL TV bereits Mitte März unter dem Siegel der Verschwiegenheit offenbart, man »werde gewappnet sein, wenn es losgeht«. So würden zu gegebener Zeit Konten leer geräumt, Motorräder umgemeldet, Rechner weggebracht.
Die Rocker rechnen damit, dass die Einsatzkräfte am frühen Mittwochmorgen zuschlagen werden. Doch weil die Gangs ihrem Spitzel bei der Polizei nicht vollständig trauen und weil sie in diesem Fall auch nur ausgesprochen ungerne überrascht werden wollen, kommandieren sie einige Männer ab. Deren Mission: Sie sollen die etwa 140 im Hotel »Holiday Inn«
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