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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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Opfer unsanft durch die Tür. Geschehen sind diese filmreifen Szenen im Mai 2007 im westfälischen Neuenkirchen, wo das Verbrechen sonst nur im Fernsehen zu Hause ist.
    Rolf D. war »Treasurer« (Kassenwart) der Bandidos Münster und unterschlug in dieser Funktion 8500 Euro. Eigentlich hätte der korpulente Mann mit dem zotteligen Vollbart das Geld auf ein Konto des Clubs in München überweisen sollen. Tat er aber nicht. Jetzt sitzt der Lkw-Fahrer in seiner Küche und tischt seinen brüllenden Clubbrüdern weitere Lügen auf. Seine Frau hockt geschockt im Schlafzimmer. Ein Rocker bewacht sie.
    Rolf D. soll die Kfz-Scheine für seine zwei Harleys rausrücken. Als er sich weigert, drohen die Bandidos, »seine Frau durchzulassen«, also zu verprügeln. Das wirkt. Die Eindringlinge lassen die Motorräder, sämtliche Bandidos-Klamotten und Silberschmuck mitgehen. Nach einer halben Stunde hauen sie ab. Zugeschlagen haben sie nicht.
    Der vollbärtige Zausel fliegt im »bad standing« aus dem Club, er ist nun in der Rockerwelt vogelfrei und rechtlos. Die kruden Vereinsregeln sehen zudem vor, dass sich seine Schulden erhöhen. Die Bandidos verlangen weitere 11000 Euro von dem Ex-»Bruder«. Wie sie diesen Betrag errechnet haben, bleibt unklar.
    Doch D. will nicht zahlen. Mehrere Stunden lang gräbt er seinen Garten um, eine verbuddelte Pistole suchend, aber er kann die Waffe nicht finden. Einen Tag später, am 21. Mai 2008, fährt er zur Polizei. Mehrere Stunden lang packt der Mann dort über das Binnenleben der Bandidos aus. Er nimmt die verdutzten Beamten mit auf eine Reise in die schrecklich faszinierende Unterwelt des Münsterlandes. In diesem Reich existiert eine »Tomatenkasse«, gefüllt mit 65000 Euro aus Erlösen mit »Koks, Waffen und Frauen«. In der Erzählung heizen die Bandidos aus Münster in einem Opel Omega über die Autobahn und ballern mit einer Schrotflinte auf die Hells Angels. Ob dabei jemand verletzt worden ist, weiß D. nicht mehr. Verifizieren lässt sich diese actionreiche Anekdote für die Kriminalbeamten damit kaum.
    Noch am selben Tag steckt die Polizei Rolf D. und dessen Familie ins Zeugenschutzprogramm. Sie werden bewacht und kommen an einen geheimen Ort. Auf Basis der Beichte von Rolf D. eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren, Aktenzeichen 210 Js 173/07, gegen die Bandidos »Münster«. Es geht um die »Bildung einer kriminellen Vereinigung«. Auch Rolf D. steht als Beschuldigter auf dem Aktendeckel.
    Schon einen Tag später stürmen Polizisten das Vereinsheim, eine Garage und die Privatwohnungen der Westfalen-Rocker. Sie finden ein Waffenlager mit einer Maschinenpistole, zwei Handgranaten und zwei Schrotflinten. Vier Rocker wandern in Untersuchungshaft.
    Die Informationen des Rolf D. elektrisieren nicht nur die Ermittler im Münsterland. In ganz Nordrhein-Westfalen keimt in den Fach-Kommissariaten die Hoffnung auf, endlich einige ungelöste Verbrechen aufklären zu können. Die Kriminalisten chauffieren den untreuen Kassenwart von Befragung zu Befragung. Der Metzger aus Neuenkirchen wird ein Rolf für alle Fälle.
    Auch die Mordkommission Recklinghausen bestellt den Überläufer zu sich. Sie haben noch einen versuchten Mord in der Schublade. In Marl hat im Mai 2006 ein Auto eine Harley-Davidson gerammt, mehrere Personen stechen und schlagen sodann auf den gestürzten Biker ein, der schwer verletzt überlebt. Wahrscheinlich haben die Täter den Mann verwechselt. Er hatte das Motorrad erst kurz zuvor von dem Anführer der Essener Hells Angels gekauft und das Pech, noch mit dem alten Nummernschild herumzufahren. Trotz Zeugen findet die Mordkommission keine heiße Spur. Bis die Kripo im Januar 2008 Rolf D. vernimmt.
    Er präsentiert den Ermittlern vier Täter. Unter anderem habe ein Berliner Bandido mit der Tat auf einer Rockerparty geprahlt, erzählt D. Die Beamten entgegnen, dass sie von drei Tätern ausgehen. Jetzt ergänzt D., der Hauptstadt-Rocker sei bei dem Überfall wohl im Auto geblieben. Der sei so klein, das hätte Zeugen auffallen können, erklärt der Insider.
    Auch die Bochumer Kripo befragt den Aussteiger im November 2008 zu der blutigen Attacke in Marl. Er schildert noch einmal, wie der Berliner mit seiner Tat angab. Rolf D.: Er »meinte, er wäre mit den beiden Probationaries (Anwärter auf eine Vollmitgliedschaft; Anm. d. Autoren) ausgestiegen und sie hätten richtig Gas gegeben.« Aufgrund der Aussagen belebt die Staatsanwaltschaft Essen das bereits

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