Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
eingestellte Verfahren wieder. Zu einer Anklage kommt es trotzdem nie. Letztlich finden die Ermittler keine Belege für die Version des Kronzeugen.
Das Kriminalkommissariat 21 der Bochumer Polizei hingegen packt im Herbst 2007 das ganz große Besteck der Strafprozessordnung aus. Die Ermittlungskommission »Hombre« verwanzt das Clubhaus der Bandidos im Stadtteil Laer, hört sämtliche Telefone ab und kontrolliert den E-Mail-Verkehr. Die Ermittler wollen beweisen, dass die lokale Rocker-Dependance mit ihrem Anführer Peter Maczollek eine kriminelle Vereinigung ist. In den Augen der Ermittler handeln die Biker im großen Stil mit Kokain und nicken Morde ab.
Den Anfangsverdacht für die Ermittlungen liefert Aussagemaschine Rolf D.: »Das Bochumer Chapter hat sich schon immer durch sehr intensiven Koks-Handel hervorgetan, insbesondere der Armin G. und der Presi Peter, der Nachname ist mir nicht bekannt, sind dabei sehr aktiv.«
Rolf D. behauptet weiter, Präsident Maczollek habe als ranghöchster deutscher Bandido den Mord an dem Hells Angel Robert K. in Ibbenbüren abgesegnet. Demnach wollte sich der Münsteraner Boss Jörg Z. mit dem Anschlag die Auszeichnung »Expect no Mercy« verdienen, Maczollek habe sein Okay dazu gegeben.
Die Kammer, die im Juni 2008 schließlich die beiden Bandidos Thomas K. und Heino B. wegen des Mordes an dem Hells Angel Robert K. zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilte, folgt diesen Darstellungen nicht. Eine Beteiligung von Maczollek konnte nicht nachgewiesen werden. In dem schriftlichen Urteil heißt es:
Zum einen hat der Zeuge eingeräumt, das Abzeichen werde normalerweise nur an eine Person verliehen und nicht einem Chapter, zum anderen spricht auch das Aussageverhalten gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage in diesem Punkt. Der Zeuge (…) hat bei seinen polizeilichen Vernehmungen vor dem Tod von Robert K. nichts von einem geplanten Anschlag auf diesen berichtet. (…)
Erstmals bei seiner Vernehmung nach der Tat sagte er aus, das Chapter Münster habe einen solchen Anschlag vorbereitet. Nachdem dann die Angeklagten verdächtigt wurden, sagte er, es könne sein, dass diese beiden für die Tat dem Chapter Münster unterstellt worden seien. Gegen eine Planung der Tat durch das Chapter Münster, an der nach der Aussage des Zeugen D. auch Gregor G. beteiligt gewesen sein soll, spricht das abgehörte Telefongespräch zwischen Gregor G. und Eric B., die dabei von der Verhaftung der Angeklagten überrascht schienen.
Die Ermittlungskommission »Hombre« in Bochum jedoch hält Rolf D. für glaubwürdig. Die Kokain- und Mordauftragsaussagen sind ein Pfund, mit dem die Ermittler wuchern. Sie tippen dessen Vorwürfe in ihre Anträge an Staatsanwaltschaft und Gericht, um die Bandidos mit einem großen Lauschangriff endlich überführen zu können. Ermittlungsrichter unterschreiben die Beschlüsse.
Also hört die Kripo ab, observiert und schlussfolgert über ein Jahr lang. Sie gewinnt eine Vielzahl interessanter Einblicke in das Vereinsleben der Bandidos. Bald wissen die Beamten, wer über wen lästert, dass der Präsident Maczollek um seine Autorität fürchtet und was für ein Fernsehprogramm im Clubheim läuft.
Die Ermittler bekommen auch mit, wie sehr sich die Rocker ängstigen, dass ein Selbstmordattentäter sich in ihrer Mitte in die Luft sprengen könnte. Auf den Handel mit Kokain gibt es allerdings nur vage Hinweise. Die Polizisten glauben, dass die Rocker ihre Sprache codieren, wenn sie über Drogen sprechen. Angeblich sagen sie »Schmerztabletten« statt Koks. Es bleibt aber bei Vermutungen. Belege, dass Peter Maczollek den Mord in Ibbenbüren abgenickt hat, finden die Ermittler ebenfalls nicht.
Auch in Münster endet das Verfahren gegen die ehemaligen Clubmitglieder von Rolf D. ernüchternd für die Ankläger. Die vier Rocker werden wegen des Raubes der Motorräder bei Rolf D. und illegalen Waffenbesitzes verurteilt. Eine kriminelle Vereinigung sind die örtlichen Bandidos in den Augen der Richter nicht. Die Wildwest-Ballereien mit Hells Angels auf der Autobahn können weder bestätigt noch widerlegt werden. Eine mit Drogengeldern gefüllte »Tomatenkasse« hält die Kammer für nicht realistisch.
Lange behauptet Rolf D. noch, er habe überhaupt kein Geld unterschlagen, alles sei ein großes Missverständnis, das auf einen Zahlendreher bei der Überweisung zurückzuführen sei. Als die Polizei ihm anhand von Kontounterlagen schließlich das Gegenteil beweist, räumt D.
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