Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
verhandeln.
Die Hells Angels sind zögerlich, haben sie doch das Gefühl, bei der Einigung schlechter wegzukommen, weil einer von ihnen »unten liegen würde«, wie Bandido-Boss Maczollek später sagt. Anderthalb Jahre zuvor haben zwei Bandidos in Ibbenbüren den Motorradhändler und Hells Angel Robert K. ermordet. Trotzdem triumphiert für einen Augenblick die Vernunft über den Testosteronspiegel.
Am 15. Dezember 2008 erstattet sogar eine Abordnung der Hells Angels, bestehend aus dem Bonner Anführer Bernd Wobser und seinem Düsseldorfer Amtskollegen Christian »Müll« Müller, auf der Autobahnraststätte Remscheid einem Kontrahenten die in Duisburg geraubte Kutte zurück. Bandido-Boss Maczollek weist daraufhin seine Clubkameraden per Mail an, bis auf weiteres »den Ball flach zu halten«. Erst mal sei »alles schön« mit den verhassten »Anglern«, wie die Bandidos die Hells Angels nennen.
Den Hitzkopf »Eschli« Elten nimmt Maczollek sodann noch einmal persönlich ins Gebet, weiß er doch, wer in seinem Laden für die Abteilung Stress zuständig ist. Allerdings wird diese Mahnung nicht lange vorhalten. Schon bald übermannt den Bandido doch wieder das ungezügelte Temperament, das einer seiner Kumpane einmal wie folgt beschrieb: »Eschli hat einfach ’ne kurze Zündschnur.« Und die wird bald vollständig abgebrannt sein.
Die Begegnung: »Schieß doch!«
Im Bochumer Clubhaus der Bandidos herrscht helle Aufregung. Panisch, aufgelöst, mit sich überschlagenden Stimmen berichten die Rocker, was am Vorabend direkt vor ihrem Vereinsheim im Duisburger Rotlichtviertel geschehen ist. Die Polizei hört mit und protokolliert fleißig, als der Bandido Dieter D. gegen 20.42 Uhr erzählt:
Der kam da aus der Straße raus, der dicke Wagen. (…) An der Ampel war Rot. Hab den Eschli da nicht alleine laufen lassen, bin dann mit rüber, und der kam auf den Wagen zu, und da hab ich gemerkt, der Eschli hat den provoziert: »Komm raus, du Sau, mach dich gerade!« Und dann zeigt der da seine Knarre. Und da sagt der Eschli: »Na komm, mach, schieß doch, schieß! Komm raus, mach dich gerade! Was willst du?« So in dem Moment hat der geschossen. (…) Bambambam. Und dann haben die Gas gegeben ohne Ende, und dann waren die weg, und so, bevor ich reagieren konnte. Ich hab den Eschli ja fallen sehen. Ich denk, Scheiße, Scheiße. Die geben Gas, die sind weg.
Es ist der Abend des 8. Oktober 2009, als sich die ewigen Rivalen »Eschli« Elten und Timur A. zum letzten Mal und auf verheerende Weise begegnen. Opfer und Täter sind sich nicht unähnlich, beide sind im gleichen Alter und machen ihre Geschäfte im Rotlicht am Rhein, beide sind Kampfsportler und nach ersten Erkenntnissen der Polizei zudem nacheinander mit derselben Frau liiert.
Doch die Männer haben sich zutiefst verfeindeten Rockergangs angeschlossen, und daher agieren sie nun seit Monaten wie junge Pitbulls, die sich knurrend, bellend, zähnefletschend gegenüberstehen, blind vor Wut und Hass. Und plötzlich reißt die Leine des einen.
Der Vorsitzende des Duisburger Schwurgerichts, das Timur A. im August 2010 wegen Totschlags für elf Jahre ins Gefängnis schicken wird, sagt in der Urteilsbegründung, der Hells Angel habe sein Gegenüber erschossen, um das Gesicht nicht zu verlieren. Und weil auch der Bandido Elten nicht sein Gesicht verlieren durfte, ja nicht einmal die Möglichkeit erwog, verlor er schließlich sein Leben. »Das Tatgeschehen wäre zwischen irgendwelchen Herren Mustermann kaum denkbar«, so Richter Joachim Schwartz. Da hätten sich zwei bis zum Äußersten provoziert, »wechselseitig immer aggressiver«, weil keiner »klein beigeben will oder im Rahmen seiner Sozialisation kann«.
In der Welt der Rocker nämlich macht man keinen Rückzieher, schon gar nicht, wenn, wie an dem Donnerstagabend im Oktober, die anderen dabei zusehen, wie »Eschli« Elten vor dem Vereinsheim der Bandidos um 20.25 Uhr auf den schneeweißen Mercedes CLK seines Erzfeindes zuschnellt. Timur A. sitzt auf dem Beifahrersitz, sein Bruder am Steuer. Es kommt zu dem Wortgefecht, Timur drückt ab, vier Schüsse peitschen durch den Abend, einer trifft »Eschli« Elten in den Kopf, zwei Projektile verfehlen zwei unbeteiligte Frauen nur knapp.
Wenig später erliegt der Bandido in der Notaufnahme seinen schweren Verletzungen. Ein »Szenario wie beim Schachspiel«, so Richter Schwartz: »Vier Züge bis Matt.« Der Täter, der sich wenig später der Polizei stellt, sagt bloß: »Was
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