Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Hände zu fallen.« Er sei vorbereitet für kommende Auseinandersetzungen, doch einige versuchten bereits, den Club zu verlassen. »Vor allem die mit Familien.« Nicht jeder Rocker ist ein Krieger.
Noch immer aber verfügen die Banden über genügend schlagkräftiges Personal. Am 31. Oktober 2009 um genau 21.10 Uhr, »Eschli« Eltens Tod liegt nun drei Wochen zurück, erreicht die Duisburger Polizei ein Notruf aus der Vulkanstraße 26, dem Laufhaus im Rotlichtviertel, das von den Hells Angels kontrolliert wird und vor dem sich schon in der Nacht von Eltens Tod Bandidos zusammengerottet hatten. Von »Randalierern« ist in den ersten Funksprüchen die Rede, ein Streifenwagen jagt los. Dann wird es hektisch.
Die Beamten melden der Zentrale, dass etwa 40 Bandidos versuchten, das Bordell zu stürmen. Weitere Rocker strömen aus dem nahe gelegenen Hauptquartier in der Charlottenstraße nach, vor dessen Tür Elten erschossen wurde. Die Beamten fordern Verstärkung an. Doch das ist so eine Sache: In einer Samstagnacht sind in einer Stadt wie Duisburg vielleicht 20 Streifenwagen auf der Straße, höchstens.
Und es kommt noch schlimmer. Kurz nach 22 Uhr sammeln sich die Hells Angels, die die Attacke ihrer Rivalen zurückschlagen konnten, vor dem »Bandidos Place«. Offenbar sind sie im Gegensatz zu der überrascht wirkenden Polizei bestens vorbereitet. Beamte werden später berichten, dass die Rocker auf einer Landstraße kurzzeitig sogar Straßensperren errichtet und nur eigene Autos durchgelassen hätten.
In der Strafanzeige gegen Unbekannt wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung schreibt ein Polizeihauptkommissar noch in derselben Nacht, es ist 4.19 Uhr:
Der Angriff der Hells Angels verlief geplant und geordnet. Er war genau vorbereitet. Die Angreifer benutzten Vans und Lieferwagen, die teilweise mit bis zu zehn Angels besetzt waren. Bei der Anfahrt von der L 60 (…) verließen sie gleichzeitig die Fahrzeuge und griffen gezielt nach fernmündlicher Koordination des Anführers das »Fat Mexican« an. (…) Es handelte sich eindeutig nicht um eine spontane Aktion.
Die Angels waren aus Köln angerückt, wo sie das einjährige Bestehen ihres dortigen Clubs gefeiert hatten.
Dann stehen sich in der Charlottenstraße etwa 60 Hells Angels, 60 Bandidos und 30 Uniformierte gegenüber – mehr kann die örtliche Polizei in diesem Moment wohl nicht aufbieten. Die Streifenbeamten bleiben im Hintergrund. »Mir hat ein Rocker direkt ins Gesicht gesagt: ›Haltet euch da raus‹«, erinnert sich ein junger Kommissar. »Und das haben wir auch so gemacht.«
Unter den Augen der staunenden Polizisten gehen die hochgerüsteten Rocker zum Angriff über: Die Beamten sehen Baseballschläger, Dachlatten, Totschläger, Tränengaskartuschen vom Typ TW 1000, Wurfgeschosse, Gummiknüppel, Molotow-Cocktails – und verlangen in der Leitstelle aufgeregt nach Unterstützung aus den umliegenden Städten. »Alles, was abkömmlich ist, mit Sonder- und Wegerechten nach Duisburg«, heißt es im Funk. Um 22.50 Uhr löst der Polizeiführer die »landesweite Vollalarmierung« der nordrhein-westfälischen Spezialeinsatzkräfte ( SEK ) aus – da ist das »Bandidos Place« schon »komplett zerlegt«, wie sich der Kommissar erinnert. Scheiben sind zu Bruch gegangen, es qualmt.
Jetzt erst trudeln Beamte aus der Umgebung ein: Bereitschaftspolizei aus Recklinghausen und Düsseldorf, Streifenwagen aus Wesel, Düsseldorf, Essen und Mettmann, dazu SEK -Gruppen – mehr als 100 Polizisten sind es nun. Hunde werden von der Leine gelassen, um die Parteien zu trennen. Doch auch die Rocker machen mobil. Um kurz vor Mitternacht verzeichnet die Staatsmacht eine »landesweite Reisebewegung« der Bandidos. Dutzende seien im Anmarsch, aus Unna, aus Greven, heißt es.
Dennoch wird in dieser Nacht kein Hells Angel, kein Bandido festgenommen. »Vielleicht ging das alles einfach zu schnell«, mutmaßt ein Sprecher der Polizei Duisburg hinterher. Später werden die Ermittler Videoaufnahmen auswerten und darauf 13 Hells Angels aus dem gesamten Bundesgebiet identifizieren. Darunter ist wohl auch der »Road Captain« des Charters Köln, Wolfgang H. Doch angeklagt oder gar verurteilt wird für die Straßenschlacht niemand.
Und so marodieren die Rocker unbehelligt weiter. Gegen 2 Uhr morgens fliegt in Solingen eine Handgranate ins Clubhaus des Hells Angels Charters »Midland«. In dem Gebäude halten sich nach Polizeiangaben 20 Personen auf. Auch die
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