Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
für eine Scheiße!«
Zum ersten Mal sind an diesem Abend in Duisburg die jungen Wilden beider Clubs auf tödliche Weise aneinandergeraten. Und weil sich an die Schüsse auf offener Straße eine beispiellose Serie brutaler Vergeltungsmaßnahmen anschließen wird, ruft dieser Anschlag schließlich in ungekanntem Maße die Staatsmacht auf den Plan. Schon bald wird es für die Clubs ziemlich ungemütlich – denn jetzt geht der Krieg erst richtig los.
Das Nachspiel
Das Problem an solchen Verbrechen ist nämlich nicht nur, dass Menschen verletzt werden oder sogar sterben, dass das Gewaltmonopol des Staates missachtet wird, dass Unbeteiligte in Lebensgefahr geraten, sondern auch dass die Fehden Einzelner immer wieder die gesamten Gangs mit in einen Strudel aus Überfällen, Rachefeldzügen und Gegenschlägen reißen. Es ist die Schattenseite des »Alle für einen«-Prinzips der Banden, von dem selbst in guten Zeiten nur wenige profitieren.
Nur Stunden nach den tödlichen Schüssen auf »Eschli« Elten, es ist gegen 1.40 Uhr in der Nacht, schütten Unbekannte vor der Tür des Hells-Angels-Vereinsheims in Gelsenkirchen Benzin aus und zünden es an. In Essen geht zudem ein Wagen mit einem Aufkleber der Höllenengel in Flammen auf.
Bei einer Verkehrskontrolle in Mettmann entdecken Polizisten in einem Auto eine abgesägte Schrotflinte. Der Fahrer ist ein alter Bekannter der Beamten. Er hatte ihnen schon bei einer vorherigen Begegnung nicht ganz ohne Stolz in der Stimme erklärt, er führe Aufträge für die Hells Angels durch. Die Waffe wird sichergestellt.
Zugleich rotten sich im Duisburger Rotlichtviertel bis zu 200 Bandidos zusammen und belagern einen Puff in der Vulkanstraße, in dem Hells Angels arbeiten. Die Polizei kann mit einem Großaufgebot gerade noch verhindern, dass das Freudenhaus gestürmt wird.
In Nordrhein-Westfalen gibt es zu diesem Zeitpunkt laut Landeskriminalamt neun Charter der Hells Angels mit rund 150 Männern und 14 Chapter der Bandidos mit etwa 200 Mitgliedern. Zuletzt hatten die Ermittler eine starke Expansionsbewegung der Hells Angels festgestellt, die in Köln, Bielefeld und Siegen neue Niederlassungen gegründet und dafür frühere Mitglieder des Gremium MC rekrutiert hatten. Bis dahin galten das Ruhrgebiet, Westfalen und der Niederrhein eher als Bandidos-Land, doch die Schüsse von Duisburg würden Folgen für das Machtgefüge der Rocker in NRW haben, befürchtet seinerzeit ein Spezialermittler: »Die Szene ist hochnervös. Wir müssen sehr aufpassen.« Der hochrangige Kriminalbeamte wird recht behalten.
Am Abend nach dem Tod des Rudi Heinz Elten treffen sich im ersten Stockwerk ihres Bochumer Clubhauses die Anführer der Bandidos aus nah und fern – und wieder hört die Polizei mit. Die erbosten Rockerbosse verständigen sich auf Grundlegendes: Erstens sollen die verhassten Hells Angels zunächst aus Duisburg, dann aus dem gesamten Ruhrgebiet verdrängt werden. Zweitens darf nun jeder losschlagen, wie, wo und wann er es für richtig hält – auch ohne detaillierte Anweisungen hat er das Plazet der Vereinsführung. Drittens muss jeder Bandido den Kreuzzug mitmachen, Drückeberger fliegen raus.
In einem zweiten Stuhlkreis, der sich anschließt, konkretisieren die Rockerfürsten noch einmal ihr Vorhaben. Die Kriminalpolizei notiert:
Hells Angels sollen sich auf der Straße nicht mehr blicken lassen können. Sollte einer gesichtet werden, ist sofort der Konflikt zu suchen.
Die Angels sollen ausgespäht werden: Wohnsitz, Arbeit, Familie, Auto, Motorrad.
Waffen sollen zentral in den Clubhäusern gelagert werden.
Kleinere Motorradclubs sollen gezwungen werden, sich den Bandidos anzuschließen – zwecks Verstärkung.
Ein Alarmsystem soll entwickelt werden, mit dem sich binnen 20 Minuten mindestens zehn Bewaffnete an vereinbarten Sammelpunkten zusammenziehen lassen.
Im Grunde genommen ist es der Moment, in dem der Bandidos-Boss seinen Mannen offiziell mitteilt, dass der Kriegsfall eingetreten ist. Es habe sich bei dessen Vortrag um eine »Motivationsrede« gehandelt, protokolliert ein Kriminalbeamter. Die Bereitschaft der Rocker für Friedensverhandlungen ist verflogen. Jetzt gilt nur noch das Alte Testament: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
»Das ist längst kein Spiel mehr«, sagt ein Kampfsportler aus dem Umfeld der Bandidos, »wir sind im Krieg.« Er selbst fahre nun die Straße, in der er wohne, mehrfach ab, ehe er aus dem Wagen steige. »Ich habe keine Lust, einem Rollkommando in die
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