Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Unerschrockenheit zum Verhängnis werden.
Rudi Heinz Elten nämlich war der Prototyp der jungen Wilden in den Rockergangs: hochaggressiv, kaum zu bändigen, ausgestattet mit wenig Sinn für lange Haare, Bärte und Rock ’n’ Roll, dafür mit weitaus mehr Interesse an jedem schnell verdienten Euro und an dem stetigen Kick sinnloser Gewaltakte. Männer wie »Eschli«, der sich als Hooligan jahrelang durch das Land geschlagen hatte, sind äußerst begehrt bei den Banden. In den von Territorialkämpfen und Expansionsbestrebungen bestimmten vergangenen Jahren haben die Motorradgangs unzählige solcher Typen aufgenommen.
Einer von Eltens alten Fußballrowdy-Kumpels sagte einmal: »Uns war allen klar, Eschli Elten stirbt nicht im Bett.« Und einer seiner Bandido-Kontakte erinnerte sich mit folgenden Worten an den früh Verblichenen: »Eschli konnte immer nur vorwärtsmarschieren, der kannte keine Flucht.«
Nach Aussage des Aussteigers Rolf D. förderten die Bandenbosse gerade »diese abgedrehten Leute, um die eigene Schlagkraft zu erhöhen«. So seien bei den Bandidos brutale Mitglieder, die Hells Angels schwer verletzt oder gar getötet hätten, mit dem Aufnäher »Expect no Mercy« ausgezeichnet worden. Darüber hinaus gab es laut Aussteiger D. im Club eine »Abschussprämie«, für die jedes Mitglied in Deutschland knapp 100 Euro spenden musste. So hätten nach einer Bluttat schnell Zehntausende Euro zusammenkommen können – für den Täter.
Die Bandidos bestritten das stets. Das Abzeichen »Expect no Mercy« werde an »verdiente Mitglieder« vergeben, die durch ehrenamtliches Engagement für den Club aufgefallen seien, sagte ein Sprecher der Gang einmal. Belohnungen für Straftaten gebe es nicht, behauptete er sogar. Ob er seine Darstellung indes selbst glaubte, darf durchaus bezweifelt werden.
Wie die Rocker wirklich ticken, offenbaren zum Beispiel Berichte der Bochumer Kriminalpolizei. Die Beamten der dortigen Ermittlungskommission »Hombre« hörten vor einigen Jahren zahlreiche Telefone der örtlichen Bandidos ab und verwanzten sogar deren Vereinsheim in der Alten Wittener Straße. Sie wollten den Nachweis erbringen, dass es sich bei den Banditen um einen hochkriminellen Club handelt. Letztlich ging den Behörden der Atem aus. Doch noch immer erlauben die behördlichen Protokolle einen unverstellten Blick in das ansonsten streng abgeschottete Binnenleben der Gang.
Demnach schlug der Duisburger Hells-Angels-Anwärter und Free Fighter Timur A., der knapp ein Jahr später »Eschli« Elten erschießen sollte, am 16. November 2008 den Bandido Alexandros K., 33, an einer Ampel vom Motorrad und stahl dessen Jacke samt Club-Emblem. Der Raub von Kutten ist in den Motorradgangs eine beliebte Methode, den Gegner zu demütigen und selbst aufzusteigen.
Der hitzige Elten wiederum war ob dieser Attacke vollkommen außer sich, tobte, schrie, er wolle A. finden und fertigmachen und seinerseits gewaltsam dessen Kutte, das Heiligtum jedes Rockers, holen und sie seinem Präsidenten übergeben. So jedenfalls notierten es die mithörenden Beamten.
Ein Bandenboss stachelte Elten noch zusätzlich an: Wie es überhaupt sein könne, dass Timur A. einen Unterstützerclub der Hells Angels in Duisburg aufgemacht habe? Schließlich beanspruchten die Bandidos die Stadt für sich. »Eschli« solle etwas unternehmen, dürfe alles tun, nur eines nicht: »Karten ziehen.« Das ist Rockerslang und bedeutete in diesem Fall ausnahmsweise: Hände weg von den Kutten der Hells Angels! Und das hatte einen bestimmten Grund.
Ein bisschen Frieden
Nun ist es nicht so, dass im Winter 2008 zwischen den Erzfeinden Hells Angels und Bandidos plötzlich die große Liebe ausgebrochen wäre. Aber beide Clubs haben erkannt, dass ihre Dauerfehde den Geschäften schadet und bloß die drei großen P auf den Plan ruft: Presse, Polizei, Politik.
Daher treffen sich am 10. Dezember um 18 Uhr in einem Magdeburger Hotel die Bandidos Peter Maczollek, Leslav Hause, Sven K. und Walter Kästel mit den Hells Angels Frank Hanebuth und Bernd »Lobo« Wobser zum Rocker-Gipfel. Es ist der erste Versuch, den eskalierenden Konflikt beizulegen. Doch die misstrauischen Gang-Anführer können sich in anderthalb Stunden nur auf eine Minimallösung verständigen. Demnach beschließen sie, sich gegenseitig nicht mehr gewaltsam die Lederwesten auszuziehen, bis auf weiteres einen Waffenstillstand einzuhalten und zwischenzeitlich über einen grundsätzlichen Friedensvertrag zu
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