Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Anerkennung, das ist die simple Logik in vielen »Supporter-Clubs«. Vor allem in der Hauptstadt.
Der abgefackelte Mitsubishi in Hellersdorf gehörte dem 22-jährigen Kevin R., einem Mitglied der Brigade 81, die wiederum die Ostberliner Hells Angels bei allem unterstützen, was die sich so einfallen lassen. Sein Kennzeichen B FC 1888 klebt zwar an einem japanischem Auto, dennoch lässt es Rückschlüsse auf eine dumpfdeutsche Gesinnung zu. Der Grund: Es sind Anhänger des BFC Dynamo Berlin, die ihre Faszination für den Fußballclub mit dieser Buchstabenkombination ausdrücken.
Und die Hooligans des Clubs gelten als eine der schlimmsten Fußball-Prügeltruppen in Deutschland. Beim BFC -Anhang hauen oft Rechtsradikale mit, wenn auch nicht mehr so zahlreich wie in den neunziger Jahren. Das Brigade-81-Mitglied Kevin R. kokettiert aber ziemlich offen mit seiner Faszination für den Nationalsozialismus. Und daher steht 1888 auf seinem Autokennzeichen höchstwahrscheinlich für die vier Buchstaben AH HH – was wiederum in der Nazi-Szene bedeutet: Adolf Hitler, Heil Hitler.
Junge Männer aus dem Hooligan-Umfeld des BFC sind die bevorzugten Neueinsteiger bei den Ostberliner Höllenengeln. Denn deren Oberhaupt André Sommer war zu DDR -Zeiten selbst einer der schlimmsten Dynamo-Schläger am Rande von Oberligaspielen. Heutzutage geht er in Hells-Angels-Kutte ins Stadion.
Die Brigade 81 erfüllt für die Hells Angels dieselbe Funktion wie der Club La Onda auf der Gegenseite. Auch sie erhöht die Macht ihrer Vorgesetzten im Rockermilieu, ohne selbst mächtig zu sein. Die Mitglieder haben eine Menge Pflichten, jedoch kaum Rechte. Dafür aber bekommen sie Halt, Ordnung, Abenteuer und das Gefühl, jemand zu sein. Sie berauschen sich an der Stärke der Bande und glauben, sie seien deswegen auch stark. Endlich ist man nicht mehr Opfer der Verhältnisse, früh gescheitert im Leben, sondern ein kerniger Hilfsrocker mit eigener Uniform und steter Bestätigung durch die Bande. Dafür tun viele junge Männer fast alles.
Der frühere Anführer der Kieler Brigade 81 zum Beispiel hat vor Gericht einmal geschwärmt, was für ein erhebendes Gefühl es für eine gescheiterte Existenz wie ihn gewesen sei, mit »30, 40 Mann« in eine Disko einzuziehen. Da gehe die Menge raunend auseinander. Und was in Ostberlin bei rechtsradikalen Hooligans funktioniert, funktioniert in Duisburg, Köln oder Kreuzberg genauso bei jungen Männern mit Migrationshintergrund. Verloren zu sein und von vermeintlich starken Typen gefunden zu werden ist keine Frage der Ethnie oder der Religion, sondern alleine des Milieus.
Der Berliner Brigadist Kevin R. jedenfalls sinnt auf Rache für seinen Mitsubishi. Nur einen Tag nach dem Brandschlag lauert er mit weiteren Unterweltaktivisten einem Rocker-Rivalen auf. Sie hocken in einem silbernen VW Golf, Kevin R. auf dem Beifahrersitz, und beobachten das Haus des Gegners in der Eduardstraße im Stadtteil Lichtenberg. Doch der Trupp wird schon bei der Anfahrt gesichtet.
Das gegnerische Radar arbeitet militärisch-zuverlässig in der Hauptstadt. Die Bandidos-»Supporter« warnen sich gegenseitig per SMS oder Anruf, wann und wo sie einen oder mehrere Gegner bemerkt haben. Gegen 23 Uhr bekommt der La-Onda-Anführer Florian F. aktuelle Informationen über die Truppenbewegungen der 81-Brigadisten. F. feiert gerade eine Clubparty im Bandidos-Vereinsheim in der Langhansstraße.
Hier residieren ebenfalls alle drei Unterstützerclubs der örtlichen Bandidos: die bereits bekannte Gruppe La Onda sowie die »Supporter« Los Muertos und Minotauros. Florian F. gibt die Hinweise sofort an den anwesenden ranghöchsten Bandido Olaf A., Szenename »Vicious«, weiter. Die Befehls- und Meldeketten funktionieren ähnlich wie bei der Bundeswehr oder der Polizei. »Einsatzleiter« A. stellt eine schnelle Eingreiftruppe zusammen, dann geht es los.
Im weißen Mazda 323 rasen vier Männer nach Lichtenberg. Vor Ort beobachten schon weitere Bandidos-Unterstützer die ihrerseits lauernden Gegner. Die Brigade-81-Mitglieder bemerken zunächst nicht, was sich um sie herum zusammenbraut. Im Mazda sitzt hinter dem Fahrer auch der Brandstifter und La-Onda-Anwärter Roman L., mal wieder ziemlich zugekokst. Der Plan ist, die gegnerischen Rocker einzukeilen und dann »plattzumachen«.
Als der weiße Mazda in die Eduardstraße einbiegt, bemerken die Hells-Angels-Helfer die plötzliche Übermacht und wollen flüchten, doch die Räder des Golfs drehen auf der
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