Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Unterstützergruppen seinen eigenen Mythos, allerdings tut er das ganz bewusst.
Im Dauerkonflikt mit den Hells Angels wollen die »Hüte« – so der Szenename der Bandidos – ihre eigene Schlagkraft schnell erhöhen. Rockerclubs fürchten traditionell immer einen Angriff, wenn der Gegner zahlenmäßig überlegen ist. Ruhe herrscht meistens nur, wenn die Kräfte ausbalanciert sind. Und daher haben die Bandidos in den vergangenen Jahren Typen um sich geschart, die sie in Friedenszeiten niemals in ihre Nähe gelassen hätten. Und die »Angler« – wie die Hells Angels im Milieu heißen – machen es genauso. Gefragt sind nicht mehr die wilden Harley-Freaks mit Benzingeruch in der Rockermatte, sondern durchtrainierte Kampfroboter mit einem erhöhten Testosteronspiegel und einer tiefergelegten Hemmschwelle. Das Wettrüsten führt dazu, dass es 2011 in Deutschland mehr Rocker in mehr Clubs gibt als je zuvor.
Die Bandidos haben sogar einen Untertanen zweiter Klasse eingeführt. Im Mexikaner-Lager existieren neben den »Support-Chaptern« wie La Onda, Los Muertos und Malos Hombres noch sogenannte »Support-Teams«. Sie heißen beispielsweise X-Team Essen oder X-Team Dortmund. Bei diesen Männern verzichten die Vorgesetzten auf jegliches Interesse am Motorradfahren, sie sollen sich vor allem schlagen können.
In Bochum beauftragt Bandidos-Boss Peter Maczollek, der gleichzeitig Deutschlandchef der Gang ist, im Jahr 2007 ausgerechnet den gewaltverliebten Rocker »Eschli« Elten, ein X-Team für den Club aufzubauen. Allen ist damals klar, wo Elten geeignete Kandidaten suchen würde, schließlich hat er seine außergewöhnlichen Nahkampfkompetenzen bei den Schalker Hooligans der »Gelsen-Szene« gelernt.
Darum beschwert sich auch keiner der Bandidos, dass ihre neugewonnenen Unterstützer mit Fußballschläger-Sozialisation noch nie auf einer Harley gesessen haben. Ein Bike ist kein Novizenkriterium, wie aus den »Regeln für alle deutschen Support-Teams« hervorgeht. Gesucht werden bloß gewalttätige Handlanger. Diese Sturmtruppen sind deshalb das zu Papier gebrachte Eingeständnis, dass es in der deutschen Bikergangszene mittlerweile um sehr viel geht, aber immer weniger ums Motorrad.
Der Berliner Kokain-Kleindealer, Bandidos-Unterstützer und spätere Überläufer Roman L. schafft es noch zwei Jahre vor seiner Aussage, in der La-Onda-Clubhierarchie aufzusteigen. Die Bande belohnt ihn für seine Teilnahme an einem feigen Raubüberfall. Die vermeintlich ehrenvolle Rockerclique, die sich selbst gerne zur freiheitsliebenden Bruderschaft stilisiert, hat den Anwärter mit einem Überfall auf zwei wehrlose Frauen beauftragt.
Im März 2010 überwältigen Roman L., sein Rocker-Vorgesetzter Florian F. und zwei weitere Täter eine Mutter und ihre erwachsene Tochter in Berlin-Schöneberg. Die mit schwarzen Sturmhauben maskierten Täter lauern morgens vor deren Tür. Als die Tochter zur Arbeit gehen will, drängen sie die junge Frau zurück in die Wohnung und fesseln sie. Ihrer Mutter fixieren sie ebenfalls die Hände mit Kabelbindern.
Die Täter zerstören das Mobiliar auf der Suche nach leichter Beute. Der Ehemann der Frau betrieb in Berlin einmal Spielhallen. Die Täter hatten den Tipp bekommen, die Wohnung »sei richtig fett«, wie Roman L. aussagen wird. Doch die Nachwuchsrocker erbeuten nur mittelmäßigen Schmuck, den sie bei einem Juwelier in Neukölln für 7000 Euro verticken.
Bei der Polizei berichtet L. später, er sei nach der Tat von einem echten Rocker in den Arm genommen worden. Und dann habe der Mann tatsächlich Folgendes zu ihm gesagt: »Ich bin stolz auf dich.«
1 Aus juristischen Gründen wurden der Name des Mannes und einige Details seiner Lebensumstände leicht verändert.
KAPITEL 11 DES ROCKERS FREUND UND HELFER
Spitzel bei der Polizei
Wenn der Oberkommissar plaudert
S eine blonden Haare fallen bis auf den Rücken, die tätowierten Unterarme sind so bunt wie Gummibärchen-Tüten, die Jeans an den Knien standesgemäß zerrissen. Der Sänger einer Recklinghäuser Band sieht aus, wie früher alle echten Rocker aussahen. Bei seinen Balladen kneift der 51-Jährige die Augen zusammen und verschmilzt mit der guten alten Gitarrenmusik. Niemanden würde es wundern, wenn der Sänger nach dem Auftritt auf der Harley in sein Tattoostudio ritte.
Doch stattdessen fährt der Mann ins Polizeipräsidium Recklinghausen und zieht sich dort eine Uniform mit zwei silbernen Sternen auf jeder Schulter an. Sodann schnallt
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