Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Geldeintreiber), Armin G. (Türsteher im Bordell), Peter »Peitsche« E. (Türsteher im Bordell), Dieter »Diddi« L. (Harley-Verkäufer), Kim N. (dänischer Sozialhilfe-Empfänger) und Jürgen »Batzen« B. Es sind Männer, die hervorragend säumige Schuldner einschüchtern oder Prostituierte motivieren können, allerdings sind sie für eine funktionierende Bruderschaft viel zu egoistisch.
Thomas »Glatze« S. betrachtet das Chapter als Zwei-Klassen-Gesellschaft und will zu den Bandidos nach Gelsenkirchen wechseln. Ihm fehlt aber das Geld, um sich freizukaufen. In einem Gespräch im Clubheim – mitgehört von der Kripo – lästert er: »Von Eschli und Bazi will ich kein Bruder sein.« Heikle Worte für einen Bandido. Allerdings denkt »Bazi« genauso. Er sagt am Telefon zu seiner Ehefrau: »Einige aus meinem Chapter fucken mich ab.«
Beim »National Run« 2008 in Nizza eskalieren die internen Spannungen. »Glatze« hält es nicht für nötig, mit seinen Brüdern im Konvoi nach Frankreich zu fahren. Er schließt sich lieber den Gelsenkirchenern an. Auf dem Fest betrinkt er sich so heftig, dass er seinen Sicherheitsdienst nicht mehr antreten kann.
Der aus Dänemark stammende Kim N. blamiert die gesamte Bochumer Delegation. Er schlägt drei Bandidos aus Stralsund grundlos zusammen. Für die Tat des Einzelnen ist in der Rockerphilosophie das gesamte Chapter verantwortlich. »Brüder« sollen aufeinander aufpassen und sich gegenseitig unterstützen. Die Bochumer präsentieren sich in Frankreich als wilder Haufen von Individualisten – was sie in Wahrheit auch sind.
Nach dem Europa-Treffen rechnet der Bochumer Boss Peter Maczollek, der gleichzeitig auch Deutschlandchef ist, mit seiner Mannschaft ab: »Das ist keine Brotherhood. Das ist ein Haufen Scheiße. Der Glatze kommt mit dem Bazi nicht klar. Der Glatze kommt mit dem Peter nicht klar. Der Eschli kommt mit Peter nicht klar. Der Peter kommt mit keinem klar.« Entnervt legt Maczollek sein Amt nieder und installiert eine neue Führung. Doch die Spannungen bleiben. »Bazi« sagt am Handy zu einem befreundeten Rocker: »Mit der neuen Führung kann ich nichts anfangen. Diddi ist immer besoffen.«
Auch erweist sich die hitzige Expansion der Bandidos in den Jahren des sogenannten Rockerkrieges für den internen Zusammenhalt als zusätzliches Gift. Nostalgische Biker blicken gerne auf die Zeiten zurück, als jeder jeden kannte und man gemeinsam auf frisierten Mopeds durch die siebziger Jahre knatterte. Heute rollen die bierbäuchigen Alt-Rocker verächtlich mit den Augen, wenn die Neu-Rocker in weißen S-Klasse-Limousinen vorfahren. Old-School und New-School heißen die oft unversöhnlichen Fraktionen. »Ich weiß gar nicht, was ich mit denen reden soll. Ich kenne auch gar keinen mehr. Mittlerweile habe ich nur noch Bock auf mein eigenes Chapter«, fasst ein frustrierter Alt-Bandido die Lage zusammen. Überregionale Partys verkommen zu lästigen Pflichtveranstaltungen.
Aber auch intern kracht es überall gewaltig, weil die Testosteron-gesättigten Biker sich nur äußerst ungern anpassen und unterordnen. Ein langjähriger Bandido erklärt das kleine Einmaleins der Clubsoziologie: »Am besten würden die Chapter nur aus drei Leuten bestehen, das geht aber nicht. Es müssen mindestens fünf sein. Das Problem aber ist, dass sich ein Club mit sechs Membern schon in drei Lager spaltet.«
Schmarotzer Jörg K. – ein Rocker trickst sich durch
Hells Angels und Bandidos erklären sich gerne zu den letzten verbliebenen Gralshütern von Ehrlichkeit, Respekt und Solidarität. Ihre mit Stacheldraht gesicherten Clubheime deklarieren sie zu Trutzburgen einer Wertegemeinschaft, die aufrichtig handelt und niemals die Gerechtigkeit aus dem Blick verliert. »Wenn ein Hells Angel dir sein Wort gibt, dann hält der auch sein Wort«, sagt ein Höllenengel bedeutungsschwer in einem Werbefilm der Bande. In den Ermittlungsakten der Polizei findet sich eine andere Wirklichkeit. Aus abgehörten Telefonaten filtern die Beamten heraus, wie viel Egoismus und Neid in den Vereinsheimen herrschen. Ein Rocker sticht dabei besonders hervor.
Der Bordellbetreiber und Bandido Jörg K.* 1 betrügt den Staat, stürzt seine Partnerinnen in den finanziellen Ruin und nutzt sogar seine Rockerkumpels aus. Und obwohl er eigentlich pleite ist, führt er das Leben eines Jetset-Millionärs. Es ist erstaunlich, wie sich ein Mensch durchs Leben tricksen kann, ohne dass irgendeine Behörde ihn aufhält.
Eigentlich
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