Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
zwei eigenen Rössern. Frauen lockt er gerne mit einem »Ritt in den Sonnenuntergang« auf die spanische Insel. Sein Apartment kostet ihn monatlich allein 1600 Euro.
Geld, das er eigentlich nicht haben dürfte, denn schließlich ist er offiziell pleite und schuldet dem deutschen Staat noch eine Menge Steuern. Das Finanzamt geht Ende 2008 davon aus, dass der insolvente Imbiss sein Geschäft war, auch wenn seine Ex-Freundin in den Büchern steht. Die Behörde verlangt jetzt 17000 Euro von dem Lebemann, der wahrscheinlich wieder eine unkonventionelle Lösung für seine Probleme finden wird. Wie schon so oft.
Weil er ja offiziell insolvent ist, lässt er offensichtlich viele Transaktionen über das Konto seiner Mutter laufen, wie sich aus abgehörten Telefonaten herleiten lässt. Um den Staat und ihre Gläubiger auszutricksen, werden selbst gestandene Rocker gern wieder zu Mamas Lieblingen.
Gewalt ist Respekt – die Gangs und ihr Nachwuchs
Am 14. Januar 2010 empfängt eine fiese Kälte die jungen Straftäter in Berlin-Hellersdorf. Das Wetter passt zu der frostigen Architektur in der Plattenbausiedlung. Minus fünf Grad und eine 20 Zentimeter dicke Schneeschicht, die sämtliche Autos und jede der gelben Gemeinschaftsmülltonnen verhüllt. Jetzt gibt es überhaupt keine Farbe mehr in der Waschbeton-Landschaft.
Gegen 23.15 Uhr hält auf der Riesaer Straße ein Fiat Punto. Drei junge Männer steigen zügig aus und fixieren mit den Augen ihr Zielobjekt. Ein geparkter Mitsubishi Carisma mit dem Kennzeichen B FC 1888. Benno S., genannt »der Lange«, schlägt mit einem gestohlenen Nothammer die Scheibe ein. Roman L. kippt eine halbe Flasche Brennspiritus auf den Fahrersitz. Er hat Angst, weil das Einschlagen der Scheibe so laut war. Es ist seine erste Kommandoaktion gegen die Hells Angels. Sein Rocker-Vorgesetzter Florian F. brüllt ihn an: »Kipp die ganze Flasche rein.« Zum Abschluss wirft F. eine brennende Fackel in den japanischen Kleinwagen. Als die Männer den wartenden Punto mit Fahrer Konstantin S. erreichen, erleuchten die Flammen schon die graue Fassade des angrenzenden Häuserblocks.
Die vier Täter gehören zu dem Club La Onda aus dem Berliner Stadtteil Weißensee, einer Gang, die häufig die Drecksarbeit für die Bandidos »Southside« aus der Langhansstraße erledigt. Fast jedes Chapter der Bandidos und jedes Charter der Hells Angels steigert die eigene Durchsetzungsfähigkeit inzwischen mit willfährigen jungen Männern, die sich im Rocker-Slang »Supporter« nennen, Unterstützer.
Bei den Bandidos heißen sie wie mexikanische Drogenkartelle: La Onda, Los Muertos, Chicanos oder Malos Hombres. Ihre Pendants auf Seiten der Hells Angels klingen wie Truppenteile aus einem Wehrmachtsbericht: Regiment 81, Brigade 81 oder Kommando 81. Allesamt sind sie Subunternehmer für schmutzige Aufträge und entwickeln sich immer stärker zu einer Anlaufstelle für perspektivlose Männer mit einer Vorliebe für Faustrecht, Betäubungsmittel und Hartz IV .
Der rangniedrigste Brandstifter ist der 22-jährige La-Onda-Anwärter Roman L. Ein Kokainkonsument und Kleindealer, dessen Biografie sowohl aus fiskalischer als auch aus sozialpolitischer Sicht ein Desaster ist. Bei einer späteren Vernehmung tippt ein Kriminalhauptkommissar zu L. ins Protokoll:
Erlernter Beruf: ohne
Ausgeübter Beruf: ohne
Arbeitsverhältnis: ohne
Einkommensverhältnis: ohne
Auch die anderen Täter haben sämtliche Bildungschancen verschenkt. Benno S. verpasst sein Fachabitur, weil er wegen versuchten Totschlags in den Knast wandert. Konstantin S. bricht eine Lehre zum Hochbaufachwerker – so heißen Baustellenhelfer heute – kurz vor der Prüfung ab. Beide sind in ihrer Jugend mit massiven Körperverletzungen negativ aufgefallen.
Jung, perspektivlos, gewalttätig und deshalb echte Rohdiamanten für die Rockerszene. Hells Angels und Bandidos betreiben eine sehr genaue Nachwuchssichtung. Sklavischen Gehorsam, totale Verschwiegenheit und ein Faible für Gewaltdelikte jeglicher Couleur sollte ein Einsteiger mitbringen, Schulabschlüsse sind verzichtbar.
Wer es irgendwann zum Vollmitglied bei einem Alpha-Club schaffen will, muss sich – falls er nicht über Geld oder Macht verfügt – erst einmal in der Unterstützergruppierung durchbeißen. Straftaten sind für die Gangs Zwischenprüfungen, um in deren Hierarchie aufzusteigen. Nach dem Brandanschlag in Hellersdorf wird der Ersttäter Roman L. vor der gesamten Mannschaft gelobt. Brutalität gleich
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