Rockfords tödlicher Bluff
Jameson.
»Ja«, antwortete die vertraute, kurz angebundene Stimme.
»Hier ist Jim Rockford.«
»Was ist los, Rockford?« wollte die Stimme wissen.
»Ich dachte, Sie sollten es wissen - Mark Chalmers ist tot.«
»Und das soll was Neues sein? Es stand gestern nachmittag in der Zeitung - eine Angelegenheit unter Gangstern, hieß es wohl.«
»Es war keine Angelegenheit unter Gangstern«, sagte Rockford.
»Sie scheinen Ihrer Sache sicher zu sein.«
»Das bin ich auch. Ich wurde von der Bande entführt, nachdem er umgebracht worden war. Zu diesem Zeitpunkt wollten sie immer noch herausbekommen, ob ich wußte, wer er war, also können sie es nicht gewesen sein. Als sie mich gerade kidnappten, hörten sie im Radio, daß ein früherer Mafia-Angehöriger, der seine Bosse verpfiffen und sich eine neue Identität zugelegt hatte, ausgelöscht worden war. Ich weiß es, denn ich habe von einem Freund bei der Zeitung erfahren, wann die Geschichte im Radio gesendet wurde. Wenn die Burschen nach Chalmers suchten, als er schon tot war, können sie es wohl kaum gewesen sein.«
»Das ergibt keinen Sinn«, sagte Jameson.
»Doch«, beharrte Rockford, »wenn Sie mal darüber nachdenken.«
»Und wer hat Chalmers getötet?« fragte Jameson ruhig.
»Ihre Tochter«, sagte Rockford.
Jameson schwieg eine ziemliche Weile. Als er wieder sprach, war es mehr ein Flüstern. »Wir sollten uns treffen und die Sache besprechen.«
»Das würde ich auch sagen«, bestätigte Rockford. »Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen.«
»Nein, nicht hier. Wie wäre es in der Jagdhütte? In einer Stunde?«
»Einverstanden.« Rockford legte den Hörer auf diel Gabel.
Er starrte eine Zeitlang ins Leere und dachte über den Sinn seines Vorgehens nach. Schließlich riß er sich von seinen Gedanken los, ging in die Küche und holte seine] Pistole aus der Kaffeedose, die als Waffenkammer diente. Es war eine glänzende, makellose Smith & Wesson 38er die er kürzlich auf dem schwarzen Markt gekauft hatte.
Er steckte die Pistole in die eine Tasche, in die andere steckte er eine Handvoll Reservepatronen. Dann schloß er den Wohnwagen ab und setzte sich hinter das Steuer seines Wagens.
»Ich weiß nicht, warum ich das tue«, murmelte er. »Der Bastard hat wahrscheinlich noch nicht einmal meinen Scheck in den Briefkasten geworfen.«
In den Bergen war es an diesem Tag windstill, und als Rockford die schmale, ungepflasterte Straße zu Warner Jamesons Jagdhütte hinauffuhr, fiel ihm die eigentümliche Stille auf. Rockford fuhr bis zur Jagdhütte, während er vorsichtig um sich blickte. Doch er sah nur Blattwerk.
Als er die Hütte erreichte, vermied er den mit Kies bestreuten Parkplatz an der Vorderfront und wendete den Wagen. Dann parkte er hinter der Hütte, so daß die Vorderräder des Wagens in Richtung der Auffahrt und damit in Richtung Sicherheit standen. Er schob den Sicherungshebel an der Waffe zurück und verließ den Wagen.
Rockford bewegte sich an den Seitenwänden der Hütte entlang und spähte durch die Fenster. Die Hütte war offenbar leer. Er blickte um die Ecke zur Vorderseite.
»Jameson!« rief er.
Er erhielt keine Antwort.
»Kommen Sie, Jameson, Sie müssen doch hier irgendwo stecken«, brüllte Rockford.
Plötzlich wurde die Stille durch einen Schuß unterbrochen; eine Kugel zischte an Rockfords Ohr vorbei und riß ein faustgroßes Stück Holz aus der Hüttenwand. Rockford lief zu seinem Wagen zurück und startete den Motor.
»Yeah, er ist hier«, sagte er zu sich selbst, als er das Gaspedal durchtrat und in einer Wolke von Schmutz und Tannennadeln losfuhr.
Rockford fuhr blind, seinen Kopf hatte er tief hinter das Armaturenbrett geduckt. Kugeln durchsiebten den Wagen, zwei durchlöcherten die Reifen auf der linken Seite. Der Wagen zog nach links, aber Rockford hielt den Fuß fest auf dem Gaspedal. Der Wagen fuhr noch achtzig Meter, dann kam er von der Fahrbahn ab und knallte gegen einen Baum. Die Motorhaube faltete sich krachend zusammen, ein dampfender Sprühregen zischte in die Luft.
Rockford rollte sich zur Tür hinaus und rannte in den Wald. Den Revolver fest in der Hand, lief er einen gewundenen Pfad hinauf. Oben entdeckte Rockford eine riesige Eiche, von der aus man einen ausgezeichneten Überblick über das Schlachtfeld hatte. Er steckte die Smith & Wesson in die Tasche, kletterte auf einen Ast, der durch dichte Blätter fast völlig verdeckt war und sicherte sich eine gute Schußposition ungefähr sechs Meter über dem
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