Rockfords tödlicher Bluff
Glas, mit dem man neuerdings Wolkenkratzer verkleidet, sah genauso aus wie am Tage vorher. Als das Taxi vorfuhr, war es später Vormittag und die Taxiuhr zeigte eine dicke Rechnung.
»Das sind zehn fünfundvierzig«, sagte der Fahrer.
Rockford gab dem Mann einen Zwanziger. »Behalten Sie den Rest.«
Der Fahrer blickte mit beträchtlichem Mißtrauen auf den Geldschein.
»Ist er echt?« fragte er zweifelnd.
»Yeah, er ist echt«, entgegnete Rockford wütend.
»Ein Zehn-Dollar-Trinkgeld? Was muß ich dafür tun?«
»Fahren Sie zu der Adresse, die ich Ihnen vorhin gegeben habe - One Ocean Lane in Palos Verdes - dort steht ein Wohnwagen am Ende der Straße. Gehen Sie hinein. Sie werden einen sehr wütenden alten Mann gefesselt finden. Binden Sie ihn los.«
Der Fahrer warf Rockford einen aufmerksamen Blick zu. Nach vierzig Jahren Taxifahren in Hollywood und Umgebung konnte ihn nichts mehr überraschen. Trotzdem, dieser Auftrag war merkwürdiger als die meisten anderen.
»Machen Sie Witze?« fragte er immer noch skeptisch.
»Es handelt sich um meinen Vater«, versuchte Rockford eine Erklärung.
»Da ist doch irgendein Haken, stimmt's?«
»Lassen Sie sich von ihm geben, was auf der Taxiuhr steht. Die zehn Dollar Trinkgeld können Sie behalten.«
Der Fahrer sah Rockford lange an.
»Legen Sie noch fünf drauf, und die Sache ist abgemacht«, sagte der Mann.
Mit einem Stirnrunzeln gehorchte Rockford. »Sie und mein Vater passen zusammen«, sagte er.
Rockford betrat den Bürgersteig und schloß die Tür des Taxis hinter sich. Mit dem Feuer der Rechtschaffenheit in den Augen marschierte er ins Gebäude der Bundespolizei und bahnte sich seinen Weg zum Büro von David Shore. Als er schließlich ins Büro vorgelassen wurde, beendete Shore gerade ein Telefongespräch.
»Tut mir leid, daß Sie warten mußten«, sagte der Polizeibeamte. »Ich mußte ein wichtiges Gespräch führen.
»Sie verschwenden Ihre Zeit«, sagte Rockford. »Ich bin hier raus, bevor er auftaucht.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Shore runzelte die Stirn. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin schon wieder abgeholt worden«, entgegnete Rockford. »Entführt. Das ist das zweitemal in zwei Tagen.«
»Erzählen Sie mir nicht, daß Sie hergekommen sind, um sich zu beklagen«, schnaufte Shore mit einigem Ärger in der Stimme. »Ich habe versucht, Sie zu beschützen. Ich habe Sie überwachen lassen, und Sie sind abgehauen wie ein Irrer. Die Cops von Los Angeles haben sogar zwei meiner Männer wegen Verkehrsgefährdung geschnappt!«
»Die Typen waren Bundesagenten?« fragte Rockford überrascht.
»Yeah.« Shore nickte und blickte verdrießlich vor sich hin.
»Das habe ich mir fast gedacht. Seit wann sind Sie auf schwarze Chryslers umgestiegen?«
»Seit die Gegenseite auf graue Chevys umgestiegen ist.«
»Ich dachte, ich komme mal vorbei und versuche rauszufinden, was eigentlich los ist«, erklärte Rockford. »Das heißt, wenn es Ihnen nicht zuviel Umstände macht.«
»Werden Sie in Becks Verfahren aussagen?« fragte Shore.
Rockford sah ihn eine Weile an. Dann grinste er. »Packen Sie aus?«
»Unterschreiben Sie die Anklage, und ich schenke Ihnen reinen Wein ein.«
»Schenken Sie mir reinen Wein ein, und ich unterschreibe«, konterte Rockford. »Vielleicht.«
Shore zögerte, dann zuckte er die Schultern.
»Okay«, gab er schließlich nach, »ich glaube, es ist okay. Heute nachmittag wird es sowieso in den Zeitungen stehen. Mark Chalmers ist tot.«
»Tot?« Rockford war sichtlich überrascht.
»Sein wahrer Name ist nicht Mark Chalmers«, fuhr Shore fort. »Er hieß in Wirklichkeit Fred Willow. Er spielte eine führende Rolle in einem großen Glücksspielring in New York. Vor zehn Jahren nagelten wir ihn wegen größerer Delikte fest. Aber er tauschte zwanzig Jahre Knast gegen eine Rolle als Kronzeuge ein, durch die wir fünf führende Köpfe des organisierten Verbrechens ins Gefängnis schicken konnten. Wir versprachen ihm eine neue Indentität, und wir versuchten, ihn nach besten Kräften vor der Mafia zu schützen. Offenbar ist uns das nicht gelungen.«
»Sie glauben, daß er von der Mafia umgelegt wurde?« fragte Rockford.
»Von wem sonst? Es mußte so kommen. Wir haben ihm geraten, diesen großartigen Club nicht zu eröffnen. Das war dumm. Er hätte sich besser etwas Unauffälligeres ausgesucht - Strandräuber oder so.«
»Und was ist, wenn ihn nicht die schlauen Burschen umgelegt haben?« fragte Rockford.
»Sie
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