ROD - Die Autobiografie
laut schreiend und auf wenig einfühlsame Weise einen Plastikschlauch, der mit Nadel und Pflaster an deinem Arm befestigt ist, herausreißt.
Der eilig zurückgerufene Proktologe fand ein Gemetzel vor: Der ganze Boden war voller Blut, meine Frau schluchzte in Panik und am allerschlimmsten: Die Steaks waren verbrannt. Und ich? Ich musste hysterisch lachen. Nachdem der brennende Schmerz nachgelassen hatte, kam mir die ganze Sache unfassbar komisch vor. Es könnte aber auch daran gelegen haben, dass ich durch den Blutverlust ein wenig benommen war.
Auf lange Sicht wurde klar, dass eine Bluttransfusion allein meine Karriere als Sänger nicht retten konnte, selbst wenn sie erfolgreich durchgeführt wurde, an einem angemessenen Ort, mit einem willigen Patienten und ohne eine paranoide Ehefrau, die den Schlauch herausriss. Und die Anabolika waren auch keine Lösung. Zum Glück kam mir die Technik zu Hilfe.
Schon vor dem Debakel in Sheffield hatte mir Lars Brogaard – seit vielen Jahren der Sound Engineer meiner Liveshows – geraten, mir ein In-Ear-Monitorsystem zu besorgen. Heutzutage sieht man diese kleinen, weichen Kopfhörer in den Ohren von Entertainern auf der ganzen Welt. 1991 war die Idee, den Bühnensound per Ohrstöpsel an den Künstler weiterzugeben, etwas völlig Neues. Alle arbeiteten nach wie vor mit einem System, das es im Grunde schon seit anno dazumal gab: eine Reihe von Monitoren am vorderen Bühnenrand, aus denen man mit etwas Glück hören konnte, was die anderen machten. Aber dieser Mix war immer schwierig, und das System war laut, und oft genug musste ich gegen die Band ansingen, womit ich mir keinen Gefallen tat.
Lars versprach mir, dass das In-Ear-Monitoring einen Riesenunterschied machen würde, und ich willigte ein, es auszuprobieren. Gegen Ende April 1991 flog ich mit Lars zwischen zwei Gigs aus Deutschland zurück nach London, um bei einem Spezialisten in der Harley Street Abdrücke meiner Ohren anfertigen zu lassen. Ein paar Tage später hatten wir ein Paar maßgeschneiderter Ohrhörer, die ich in einen Empfänger in meiner hinteren Hosentasche stöpseln konnte und durch die man mir einen Mix zuspielte, der a) mir hoffentlich nicht die Ohren wegfegte und b) hoffentlich verhinderte, dass ich meine Stimme ruinierte.
Das Problem war nur, dass die Tournee schon lief und wir keine Zeit hatten, mit dem System zu üben. Schließlich willigte ich ein, mir die Dinger gegen Ende des Auftritts in München versuchsweise in die Ohren zu stecken, aber es fühlte sich alles irgendwie nicht richtig an. Ich kam mir vor wie auf dem Grund eines Swimmingpools und nahm sie gleich wieder raus. Mit der Zeit allerdings gewöhnte ich mich an sie. Die Umstellung brachte einschneidende Veränderungen mit sich, denn sie machte vieles einfacher. Ich musste meine Stimme nicht mehr den Berg raufquälen wie einen Felsen. Auf der nächsten Tour bekam die ganze Band Ohrhörer.
Außerdem hatte das System den Vorteil, dass wir die hässlichen Lautsprecherklötze los waren, sodass mir nun auch der Bühnenrand zum Herumstolzieren zur Verfügung stand – eine spannende Erweiterung des Arbeitsplatzes. Die Bühnendeko sah ohne die ganzen unerwünschten Möbel gleich viel hübscher aus.
So erholte sich meine Stimme, und die Absagen wurden seltener. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn ich sage, dass ich die Fortführung meiner Karriere der Erfindung des In-Ear-Monitoring verdanke. Ohne sie wäre ich schon vor zwanzig Jahren als Sänger auf der Bühne erledigt gewesen – wahrscheinlich nach einem letzten, tragischen Gig in einer halb leeren Kölner Sporthalle, bei dem ich Unverständliches nuschelnd auf der Bühne gestanden und mich mit der Fata Morgana meiner Mutter unterhalten hätte.
Während meiner acht Jahre mit Rachel war ich ihr absolut treu. Das war für mich eine ganz neue Erfahrung, und angesichts meines Rufes hätte man vermutlich nicht allzu viele Leute gefunden, die bereit gewesen wären, im Vorfeld Geld darauf zu wetten. Aber es fiel mir nicht schwer. Es passierte nicht mal bewusst. Ich hatte einfach kein Bedürfnis danach, fremdzugehen. Rachel hatte alles, was ich wollte, und ich wurde über Nacht vom König der Frauenhelden zum liebenden Ehemann. Vielleicht war das genau der Punkt: Ich hatte nur die Richtige finden müssen. Und diese Richtige – das glaubte ich – war Rachel. Wie ich der Presse schon sehr früh in unserer Beziehung erklärte: »Ich habe mein letztes Rohr verlegt.«
Ich war so glücklich,
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