ROD - Die Autobiografie
angekommen.
Besonders viel bedeutet mir aber ein Erlebnis, das ich hatte, nachdem der vierte Teil der Songbook -Serie erschienen war. In einem Café in Los Angeles kam ich ins Gespräch mit einem ehemaligen GI, der im Zweiten Weltkrieg bei der zweiten Invasionswelle am Omaha Beach in der Normandie dabei gewesen war. Nachdem wir eine Weile über seine Erlebnisse geredet hatten, sagte der Mann zu mir: »Übrigens, bei Ihnen klingen diese alten Songs wie brandneu.« Eine schönere Ermutigung aus berufenem Munde hätte ich mir nicht vorstellen können.
Tatsächlich habe ich auch einen Grammy gewonnen: Best Traditional Pop Vocal für das 2004er-Album Stardust: The Great American Songbook 3 . Als ich das mitbekam (ich war in Australien auf Tour, als die Sieger verkündet wurden), stand die Welt wirklich für mich Kopf. Seit 1980 war ich nicht weniger als zwölfmal für einen der renommiertesten Preise der amerikanischen Musikindustrie nominiert gewesen, aber nie ausgezeichnet worden. Eigentlich hatte ich mich schon lange damit abgefunden und dachte schon, irgendwann mal den Falschen beleidigt zu haben.
Der überwältigende und ungeahnte Erfolg der Songbook -Serie – und vor allem der Zeitpunkt, zu dem dieser überwältigende und ungeahnte Erfolg kam – hat mir unglaublich viel Kraft und Bestätigung gegeben, und dafür werde ich auf ewig dankbar sein. 2001, bevor das alles passierte, dachte ich noch: Du hast einen guten Lauf gehabt, Kumpel, aber vielleicht ist es an der Zeit, dir einzugestehen, dass die Party gelaufen ist; du kannst deinen Mantel holen.
Und ehe ich mich versehe, ist es 2010, ich bin fünfundsechzig Jahre alt und blicke auf die kommerziell erfolgreichste Dekade meines gesamten Lebens zurück.
Ausklang
In dem unser Held ernsthaft über seinen Rückzug von allem nachdenkt, sich an seine modischen Verfehlungen bei einem Besuch im Buckingham Palace erinnert und dem Golfsport eine klare Absage erteilt.
I ch mache mir nichts vor. Ich weiß, dass der Tag kommen wird, an dem alles vorbei ist. Ich weiß, dass ich irgendwann – und vermutlich eher früher als später – an den Punkt kommen werde, wo ich meine Leistung nicht mehr abrufen kann. Und ich weiß nicht, was sich dann in meinem Kopf abspielen wird. Schließlich habe ich’s mein Leben lang gemacht, schließlich habe ich so viel von mir hineingesteckt, allerdings auch so viel zurückbekommen. Ich habe Angst vor dem riesigen Loch, das sein Fehlen in meinem Leben hinterlassen wird.
Ich rede natürlich vom Fußballspielen.
Zurzeit kriege ich gerade noch die Kurve. Ich spiele in einem Seniorenteam (über fünfzig) für »Fram« – einen Verein, der von gebürtigen Norwegern in Los Angeles gegründet wurde, inzwischen aber vorwiegend aus englischen Emigranten besteht. Sonntags in aller Frühe fahre ich Richtung Küste zu unserem Fußballplatz »Framsen Field«, der mit Abstand der beste Bolzplatz in unserer Liga ist: ebenerdig, ein Grasplatz ohne Schlaglöcher, Hubbel oder herausstehende Sprinkler – ganz anders als die meisten Äcker, auf denen wir sonst spielen müssen. Natürlich sind wir körperlich viel klappriger, als wir’s je zugeben würden, aber das geht uns am Arsch vorbei. Hauptsache, wir stehen auf dem Platz und kicken. Im Eifer des Gefechts nehme ich noch immer die Ärmel meines Trikots in meine geballte Faust – ganz so, wie ich es mir von Denis Law abgeschaut habe –, bin mit meinen siebenundsechzig Jahren noch immer für fünfundvierzig Minuten gut – wenn’s sein muss auch für siebzig – und bringe bei Bedarf noch immer einen tödlichen Eckschuss von der linken Seite.
Nach dem Spiel trotten wir – oft genug muss man es wohl eher humpeln nennen – zurück in die baufällige Umkleidekabine, die mit englischen Fußball-Memorabilia völlig zugekleistert ist: Schals aus Schottland und England, Fotos von Charlie Cooke und George Best, als sie in Kalifornien spielten, auch ein Foto von mir, das jemand aus dem Playboy rausgerissen hat. Und dann sitzen wir für eine Weile auf den Bänken – Ken und Trevor, die das Team organisieren, Freddie, Celtic John –, jemand stellt eine Kiste Bier in die Mitte, Tommy the Scot steht auf und erzählt ein paar schmutzige Witze, es wird gescherzt und gepöbelt – oft genug über meine hübsche braune Fußballtasche von Prada –, und für eine halbe Stunde bin ich der glücklichste Mann auf der ganzen Welt.
Aber wenn ich all das nicht mehr kann – was dann? Ich mag gar nicht dran denken.
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