ROD - Die Autobiografie
Typen am Bahnhof getroffen, der meinte, er werde mich dafür bezahlen, mit ihm durchs Land zu fahren.« Wie ich meine Mum kannte, hätte sie dazu eine Menge zu sagen. »Na dann los, mein Sohn – und hau mal ordentlich auf den Putz« wäre wohl nicht das Erste, was ihr dazu einfiele.
Long John reagierte in der Situation jedoch spitzenmäßig. Er sagte, das verstehe er vollkommen – auch er lebte damals noch bei seiner Mutter –, er werde vorbeikommen und selbst mit meiner Mum sprechen.
Und wie immer hielt er Wort. Long John war vielleicht ein großer Name in britischen Live-Blues-Kreisen, meinen Eltern sagte er jedoch nichts. Doch zur Tür hinein kam ein gepflegter, gut gekleideter, wortgewandter Mann – das perfekte Elternberuhigungsmittel –, der sogar als besondere Note einen Blumenstrauß mitgebracht hatte. Meine Mutter stellte ihm sofort eine Menge Fragen: Würden wir in London bleiben? Wann würde ich zurück sein?
»Keine Sorge, Mrs. Stewart. Ich kümmere mich um Ihren Roddy.«
Alle mütterlichen Ängste vor den Exzessen des Showbusiness und der Verwahrlosung auf Tournee schmolzen wie Butter in der Pfanne.
»Na gut, in Ordnung, John. Sie sind ein echter Gentleman.«
Und so hatte ich mir nichts, dir nichts einen Job in einer Band.
Zum Proben blieb keine Zeit. Mein Bruder fuhr mit mir zusammen ins West End, wo er mir ein weißes Hemd mit hohem Kragen und eine Krawatte heraussuchte, und schon ging’s los. Wir hatten ziemlich bald einen Auftritt im Twisted Wheel in Manchester. Im Transporter auf dem Weg dorthin erklärte mir Long John, ich bräuchte eine eigene Nummer. Seine Idee: Ich sollte mit der Band auf die Bühne kommen, einen Song zum Besten geben und dann Long John vorstellen. Ich schlug »The Night Time Is the Right Time« von Ray Charles vor und fragte die Band: »Könnt ihr das spielen?« Lauter hochgezogene Brauen, als hätte ich gefragt, ob Wasser nass ist oder der Papst katholisch.
Der Gig war ein All-Nighter, was bedeutete, dass ich zweimal singen musste. Zuerst wurde das Abendpublikum hereingelassen, und wir spielten ein Set. Dann wurde die erste »Schicht« hinausgeworfen, die »Nachtschicht« kam, und wir spielten noch eines.
Das erste Konzert steht kurz bevor, großes Publikum, und ich bin ziemlich durch den Wind, habe null Selbstvertrauen und zittere heftig. Außerdem ist mir übel. Speiübel. Cliff Barton, der Bassist – ein genialer Typ –, bemerkt meinen Zustand, drückt mir ruhig etwas in die Hand und sagt wie ein Arzt: »Nimm das, dann fühlst du dich besser.«
In meiner Hand befindet sich eine kleine schwarze Pille. »Was ist das?«, frage ich. Anscheinend war es ein Black Bomber. Davon hatte ich schon gehört, aber noch nie eine davon oder überhaupt etwas in dieser Richtung genommen.
»Das hilft«, versichert mir Cliff. »Es ist ungefähr so, als würde man einen Kaffee trinken.«
Ernstlich beunruhigt erwidere ich: »Ich trinke keinen Kaffee!«
Doch Cliff lässt sich nicht erweichen und sagt, wieder ein wenig doktormäßig: »Vertrau mir.«
Und das tue ich. Ich spüle den Black Bomber mit einem Schluck Dark Ale herunter. Zuerst passiert nichts, dann plötzlich alles auf einmal. Ich fühle mich, als hätte jemand meinen Zeigefinger in die Steckdose gesteckt. Amphetamin flutet mein Nervensystem. Meine Augen werden tellergroß. Und hätte ich meine Haare nicht ohnehin schon sorgsam in diese Position gekämmt, hätten sie abgestanden wie die von Dusty Springfield.
Als ich die Bühne betrete, bin ich wacher denn je. Es fühlt sich an, als würden meine Füße 15 Zentimeter über dem Boden schweben. Die Band beginnt mit »The Night Time Is the Right Time«, und ich gehe zur Attacke über wie ein Kampfhund, der einen Einbrecher verjagt. Wie gesagt, Zeit zum Proben hatten wir nicht, die Nummer wird also durch Zeichen zwischen den Bandmitgliedern zusammengehalten und dadurch endlos. Schlechte Idee. Ich will noch eine Strophe, noch einen Refrain. Ich blaffe die Band an: »Noch mal! Spielt weiter!« Die Bandmitglieder sehen sich entgeistert an. Ich habe keine Ahnung, wie es klingt, ich weiß nur, dass es ein verdammt geiles Gefühl ist. Das Publikum ist begeistert – zumindest die ersten sechs Minuten lang. Schon möglich, dass die Aufmerksamkeit danach etwas abnimmt. Aber das kriege ich überhaupt nicht mit. Schließlich, nach der vermutlich längsten »The Night Time«-Version aller Zeiten, gelingt es der Band, den Song scheppernd zum Ende zu bringen, und ich sage Long
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