ROD - Die Autobiografie
kreischenden Mädchen und aufgeputschten Jungs, die offensichtlich wegen der Stones und der Walker Brothers gekommen waren, bei Steampacket erfreulicherweise aber ebenfalls kreischten und umherhüpften. Und dafür sorgten, dass – sehr zur Beunruhigung der Familie Stewart – die Empore zu beben und zu wackeln begann, als ob sie sich im nächsten Moment von der Wand lösen und in die Tiefe stürzen würde. Mein Schwager Fred hatte schnell genug und ging nach unten, um im Foyer zu warten. Mary hingegen stand es loyal durch und behauptet heute immer noch, an diesem Abend die ersten Anzeichen wahrgenommen zu haben, dass in diesem Geschäft doch noch etwas aus mir werden könnte.
Aber nicht mit Steampacket. Eines Tages ergab sich die Möglichkeit, mit Eric Burdon & The Animals in den USA auf Tour zu gehen, doch John lehnte ab. Das hat mich schwer enttäuscht: Ich brannte darauf, Amerika zu sehen, schließlich kam von dort die ganze Musik, die ich so liebte. »Mein amerikanisches Publikum ist noch nicht bereit für mich«, witzelte er, in Wirklichkeit löste die Vorstellung bei ihm blankes Entsetzen aus. Schuld war seine Feigheit, soweit ich das beurteilen konnte. Stattdessen beackerten wir weiterhin die Universitätsbühnen. Wir drehten uns im Kreis, und der wurde immer kleiner. Das Problem war, dass wir, ganz egal, wie gut wir als Band waren – und wir konnten verdammt gut sein –, letztendlich immer eine Coverband blieben, eine Imitation dessen, was es schon in besseren Versionen gab. Das musste zu Frustrationen führen. Es heißt ja immer, eine Band sei wie eine Familie – und das mag auch zutreffen –, aber es kommt eben darauf an, wie oft deine Familie übermüdet und betrunken ist. Was allerdings wirklich stimmt: Wenn man lange mit den gleichen Leuten in einem Kleintransporter sitzt und spätnachts die Schnellstraßen hoch- und runtergurkt, wird das früher oder später zu Spannungen führen. Micky Waller war verliebt in Julie. Julie war auch immer in irgendjemanden verliebt, jedoch – unglücklicherweise – nie in Micky Waller. Und Ricky Brown war frisch verheiratet und beschwerte sich lautstark, wenn er weiter als eine Stunde von zu Hause weg musste.
Ich für meinen Teil scheine ein gewisses Maß an beständig vor sich hin schwelender Antipathie auf mich gezogen zu haben, weil ich nicht mit der erforderlichen Begeisterung der Aufgabe nachging, die Anlage in die Clubs rein- und wieder rauszuwuchten. Wenn wir mit dem Wagen bei einem Laden ankamen, wurde es irgendwie von jedem erwartet, beim Aussteigen etwas vom Equipment mitzunehmen. Ich für meinen Teil hatte es aber jedes Mal so eilig, vor einen Spiegel zu kommen, damit ich meine Frisur richten konnte, dass ich aus Versehen vergaß, mir einen Verstärker oder eine Lautsprecherbox zu schnappen. Heute muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass diese Art von Verhalten keineswegs untypisch ist für einen Sänger. Sänger argumentieren damit, dass sie kaum mehr benötigen als ihr Mikrofon und einen Mikroständer, um ihrer Tätigkeit nachzugehen, und kämen in den seltensten Fällen auf die Idee, dass sie auf die Welt gekommen sind, um eine Orgel zu schleppen, die ihnen nicht gehört. Mein also vollkommen nachvollziehbares Verhalten in dieser Hinsicht scheint alle anderen Mitglieder von Steampacket auf die Palme gebracht zu haben, ganz besonders Brian Auger.
Auger war sowieso fast permanent genervt, weil er sich um sämtliche Bandangelegenheiten zu kümmern hatte – einschließlich des Fahrerjobs. Es gab zwei Kleinlaster, einen für die Anlage und einen für die Musiker, aber nur Auger und der Roadie hatten einen Führerschein, also musste Auger für die Band auch noch den Chauffeur spielen. Er lebte im Westen Londons in Richmond, und wenn wir einen Gig hatten, hatte er durch die ganze Stadt nach Vauxhall in Südlondon zu fahren und Julie abzuholen, dann über den Fluss nach Norden, um Long John mitzunehmen, und dann weiter nach Archway, wo ich wohnte. Und spät in der Nacht, vielleicht auch schon schwer angeschlagen vom Gig und der langen Heimreise aus, sagen wir mal, Stockport, hatte er die gesamte Großstadtrundfahrt in umgekehrter Reihenfolge erneut vor sich. Das verlängerte seinen Arbeitstag wahrscheinlich um gut eineinhalb Stunden. Auger war außerdem dafür verantwortlich, die Gage von den Clubbetreibern einzutreiben und dafür zu sorgen, dass jeder seinen Anteil erhielt. Im Grunde fungierte er also als Organist plus Chauffeur plus Tourmanager.
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