ROD - Die Autobiografie
in der Provinz unterzubringen. Und das stellte sich ja auch letztendlich als Problem heraus. Trotzdem blieb die Band ein Jahr zusammen: Wir arbeiteten hart, spielten fünf Nächte die Woche und bekamen in manchen Läden 500 Pfund Gage. Das war so viel, wie den Small Faces damals gezahlt wurde – und die hatten Singles in den Charts. Aber wir waren auch richtig gut. Auger war ein beeindruckender Organist, Brown und Waller ein perfekt eingespieltes Rhythmusduo, und wenn Julie und ich die Backings für Long John sangen und alles richtig zusammenkam, stellte sich Gänsehaut ein. Außerdem sahen wir klasse aus – aufgebrezelt bis zum Gehtnichtmehr, die reinste Modenschau: ich im Blazer mit breiten Nadelstreifen über einem dunklen Polohemd und cremefarbenen Hosen, Julie mit Twinset und gestreifter Bluse, John in einem hellen Zweireiher mit schmalem Revers und einem Schlips mit winzigem Knoten. John war selten ohne Schlips anzutreffen.
Julie faszinierte mich: ihr Pagenkopf, ihre kajalumrandeten Augen, ihr Gespür für die richtigen Klamotten. Später sollte sie zusammen mit Brian Auger einen Hit haben: »This Wheel’s On Fire«, und so etwas wie eine Ikone der Sixties werden. Sie liebte Nina Simone und Martha and the Vandellas, sie lernte Französisch und studierte im Van oft ihre Lehrbücher. Wir hatten ein kurzes Techtelmechtel in einem Feld in der Nähe des Richmond Athletics Club, mehr wurde nicht daraus. Stattdessen konnte ich bei Julies bester Freundin Jenny Rylands landen, die ebenfalls außergewöhnlich hübsch war mit ihren langen blonden Haaren und ihrer – zumindest kam es mir damals so vor – außergewöhnlichen und seinerzeit exotischen Fähigkeit, ihr Make-up so einzusetzen, dass sie stets perfekt »sonnengebräunt« aussah. Jenny hatte eine Wohnung in Notting Hill, wo wir die Nachmittage damit verbrachten, Tee zu trinken, Toast zu essen und uns immer wieder Otis Reddings Album Otis Blue anzuhören. Gelegentlich erzählte sie von einem ihrer Künstlerfreunde namens David Hockney. Was wohl aus dem geworden ist?
Ich dagegen wohnte immer noch bei meinen Eltern. Long John ließ mich von Zeit zu Zeit seine Mietwohnung in der Goodge Street für meine Zwecke nutzen, wenn mal Not am Mann war. Außerdem habe ich Long John die Erweiterung meines gesellschaftlichen Horizonts in jenen Tagen zu verdanken. Long John kannte Lionel Bart, den Komponisten des Musicals Oliver! , und er nahm mich einmal zu einer noblen Party in Barts Haus in Chelsea mit, das vollgestopft war mit Theatermöbeln, Thronen und allen möglichen anderen Requisiten, und wo die Größen der Londoner Theaterwelt herumstanden, Champagner tranken und Kanapees von herumgereichten Tabletts aßen. Das Unterhaltungsprogramm bestand darin, dass sie durch einen großen, von einer Seite durchsichtigen Spiegel beobachteten, wie immer wieder Leute im Zimmer nebenan ins Bett hüpften und Sex miteinander hatten. In ein Würstchen im Schlafrock zu beißen und dabei zuzusehen, wie sich ein unbekanntes Pärchen miteinander verlustierte, kam mir als leicht zu beeindruckendem Neunzehnjährigen vor wie der Höhepunkt der Sixties-Kultiviertheit.
Steampackets größter Auftritt ereignete sich gleich zu Beginn des Bestehens der Band. Im August 1964 schaffte es Gomelsky, dass wir während einer kurzen Tournee durch Großbritannien als Opener für die Rolling Stones und die Walker Brothers gebucht wurden, inklusive eines Konzerts im London Palladium, einem prachtvollen, traditionsreichen Theatersaal, der Welten entfernt war von den üblichen schimmelfeuchten Kellern und den studentischen Tanzveranstaltungen mit ihren bierverklebten Böden. Ein Gesangsauftritt im Palladium schien von ernsthafter Kunst zu zeugen – mehr noch, als bei Ready Steady Go! auf einem Gerüst zum Playback zu mimen. Das mag der Grund gewesen sein, warum dieser Gig auch meine Familienmitglieder anzog – meine Brüder Don und Bob, meine Schwester Mary und ihren Ehemann sowie meine Tante Edna, die mich zum ersten Mal überhaupt auftreten sahen.
Ich konnte keine Freikarten bekommen, deswegen mussten sie den Eintritt aus eigener Tasche bezahlen; ihre Plätze waren ganz oben am hinteren Rand der Empore. Für mich könnte das von Vorteil gewesen sein: Da steht man als etwas gehemmter Interpret im schwierigen Frühstadium der Karriere auf der Bühne und plötzlich, mitten im Song: Augenkontakt mit Tante Edna – da hätte alles vorbei sein können. Ansonsten war das Palladium randvoll gefüllt mit
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