ROD - Die Autobiografie
passierte bei der nächsten Single, die Jeff aufnahm: »Tallyman«, ein Song von Graham Gouldman und wiederum deutlich kommerzielleres Material, als Jeff es ausgesucht hätte. Jeff meinte, ich sollte ihn singen, aber erneut lehnte Most ab und ließ Jeff den Gesang übernehmen. Ich meinte, Jeff hätte ihm vielleicht die Stirn bieten können, aber er schien Most hörig zu sein, deshalb bekamen wir wieder Streit.
In dieser Phase der kommerziellen Unentschlossenheit formierte sich die Jeff Beck Group. Jeffs erste Idee war es, Jet Harris, früher bei den Shadows, als Bassisten und Viv Prince, ehemals bei den Pretty Things, als Drummer einzuladen. Das war schon mal ein ambitionierter Plan – man könnte auch sagen: eine komplette Wahnsinnsidee. Harris sah klasse aus – er hatte tolle peroxidblonde Haare –, aber er erholte sich immer noch von einem furchtbaren Autounfall und kämpfte außerdem schwer mit dem Alkohol. Und was Prince angeht: Gegen seinen Trommelstil wirkte Keith Moon geradezu altbacken. Jeff hatte davon gesprochen, er wolle einen »Hooligan« als Drummer haben, und diese Beschreibung traf auf Prince mit Sicherheit zu – vielleicht sogar ein bisschen zu gut. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde in einem angemieteten Raum über dem Prince of Wales, einem Pub in der Warren Street, auf einen 12-Takt-Blues eingedroschen hatten, entschied Jeff, dass keiner der beiden das nötige Gefühl für seine Musik aufbrachte, und nahm prompt seine Einladung zurück.
Ich glaube, ich war es, der vorschlug, es mal mit Ronnie Wood zu versuchen, meinem Kumpel, mit dem ich seit zwei Jahren regelmäßig abhing. Ronnie hatte als Gitarrist angefangen, war dann zum Bass gewechselt – nachdem er zu diesem Zweck ein Instrument in einem Musikladen im West End geklaut hatte. (Offenbar ist er zurück in den Laden gegangen und hat den Bass bezahlt, als er es sich leisten konnte. Ein feiner Kerl.) Woody war ein guter Musiker, zudem ein unglaublich umgänglicher Typ. Möglicherweise spürte ich instinktiv, dass ich in einer von Jeffs Stimmungsschwankungen geprägten Band jemanden wie ihn gut auf meiner Seite gebrauchen konnte. Doch Jeff war ein Arbeitgeber mit strengen Anforderungen, der die Band immer wieder umbaute. Ich kann mich an mindestens zwei Gelegenheiten erinnern, bei denen selbst Woody kurz davor war, rausgeschmissen zu werden, weil er sich diverse musikalische Fehltritte am Arbeitsplatz geleistet hatte. Und Schlagzeuger verschliss Jeff in geradezu beängstigendem Ausmaß. Eine Zeit lang machte Micky Waller, mein alter Kumpel von Steampacket, den Job, und in einer anderen, relativ stabilen Phase trommelte Aynsley Dunbar. Das konnte sich von Auftritt zu Auftritt ändern, man konnte nie sicher sein, wer hinter einem saß, wenn man sich umdrehte.
Ist Jeff das Vorbild für die Figur des Nigel Tufnel, des Gitarristen in der fiktiven Dokumentation This Is Spinal Tap ? Mit letzter Sicherheit kann ich das nicht sagen, nur dass auch Jeff eine umfangreiche Sammlung an Gitarren besitzt, die weder jemand berühren noch ansehen darf. Auf die Idee mit den ständig wechselnden Schlagzeugern kamen die Drehbuchautoren garantiert durch die Jeff Beck Group.
Der erste Gig der Band im Finsbury Astoria in London am 3. März 1967 gab noch keinen Hinweis darauf, dass aus der Jeff Beck Group mal etwas werden würde. Ganz im Gegenteil war das Konzert geradezu ein schulbuchmäßiges Beispiel für ein Fiasko höchsten Grades. Wir waren – viel zu früh – für eine Package-Tour mit den Small Faces und Roy Orbison gebucht worden, die beide einige Riesenhits gehabt hatten und beträchtliche Zuschauermengen anzogen. Gerade hatten wir eine Nummer unseres Sets gespielt, für das wir viel zu wenig geprobt hatten, als eine unsichtbare Hand hinter der Bühne einen Stecker zog und uns zum Verstummen brachte. Wahrscheinlich war es ein Gnadenakt, aber Beck – und das ist typisch für ihn – hatte immer die Small Faces und ganz besonders deren Keyboarder Ian McLagan in Verdacht, weil es genau zu ihm gepasst hätte und ihm solche Streiche immer einen Heidenspaß machten. Mac behauptet, er sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Laden gewesen. Wie auch immer, der Stromausfall hatte jedenfalls zur Folge, dass der Stage-Manager den Vorhang herunterließ – sehr zur Überraschung von Ronnie Wood, der genau darunterstand und fast von einer halben Tonne fallendem Samt umgebracht worden wäre. (Denn eins kann ich euch sagen: Damals war ein Vorhang noch ein
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