ROD - Die Autobiografie
magische Formel zu finden und den Riesenhit zu landen. Wir hatten begonnen, zusammen ein paar Songs zu schreiben, meistens in der winzigen Sozialwohnung von Woodys Mutter in Orpington, wo wir in der Wohnstube vor dem Heizstrahler saßen. (Das Geld war knapp, wir durften ihn nur auf unterster Stufe anschalten.) Die Songs, die Woody und ich in jenen frühen Tagen zustande brachten, hatten mehr mit einfacher Folk Music zu tun als mit futuristischem Heavy Blues.
Unsere kreative Partnerschaft begann nicht gerade vielversprechend. Als wir uns das erste Mal als Songschreiber versuchten, setzten Ronnie und ich uns jeder mit einem Schreibblock und einem Bleistift vor den Heizstrahler und warteten. Aus irgendwelchen Gründen kamen wir nicht auf die Idee, eine Gitarre rauszuholen. Wir saßen einfach nur da und hofften auf eine Eingebung. Eine Stunde später war uns immer noch nichts eingefallen – keine einzige Silbe. Ronnie öffnete eine Flasche Wein, die wir im Laufe der nächsten Stunde leerten. Immer noch nichts. Nur leeres Papier lag vor uns. Nach gut zweieinhalb Stunden kam Ronnies Mutter rein und fand uns schweigend neben einer leeren Flasche auf dem Teppich liegend, die Inspiration hatte sich immer noch nicht eingefunden. »Also«, meinte sie, »es sieht ja nicht gerade danach aus, als ob die Beatles große Angst vor euch haben müssten, oder?«
Deswegen sind auf dem Album Truth der Jeff Beck Group, das im Sommer 1968 herauskam, weitgehend Coverversionen zu hören: Willie Dixons »You Shook Me«, Howlin’ Wolfs » I Ain’t Superstitious«, sogar Jerome Kerns »Ol’ Man River« – ein ziemlich gewagter Vorschlag meinerseits, bei der Aufnahme schlug Keith Moon auf den Kesselpauken herum. Ansonsten nahmen wir alte Bluessongs, Buddy Guys »Let Me Love You Baby« und B. B. Kings »Gambler’s Blues«, arrangierten sie musikalisch und textlich etwas um und erklärten sie zu unseren eigenen Songs mit »Jeffrey Rod« als Komponisten.
Nahezu die gesamte Platte wurde in zwei zweitägigen Sessions im Mai 1968 in den Abbey Road Studios aufgenommen. Damals hielt man sich nicht lange mit solchen Dingen auf: Man begann um elf Uhr vormittags und arbeitete bis Mitternacht durch. Es war das erste Mal, dass ich an der Aufnahme einer ganzen LP beteiligt war. Ich schätze diese Platte immer noch sehr. Es gibt auf Truth einige großartige Momente, was die spielerischen Fähigkeiten und den Gesang angeht, und die Platte hatte großen Einfluss auf eine Menge Musik, die danach kam. Man muss sich ja nur mal Led Zeppelin anhören. John Bonham und Jimmy Page kamen in unseren Anfangstagen, als sie gerade dabei waren, die New Yardbirds zusammenzustellen, andauernd zu unseren Gigs. Sie haben versucht, das Gleiche zu machen wie wir, und es ist ihnen gelungen – und das nicht zu knapp. Jeff nimmt ihnen das, glaube ich, immer noch übel, weil sie sich im Kern bei uns bedient und alles etwas kommerzieller aufbereitet haben. Die Jeff Beck Group hätte zu gegebener Zeit Led Zeppelin sein können – abgesehen von der nicht unwichtigen Tatsache, dass sie uns im Schreiben von eigenem Songmaterial einen Schritt voraus waren.
Zu jener Zeit dachte ich darüber jedoch nicht weiter nach, mir fiel lediglich auf, dass auf dem Cover von Truth nur noch »Jeff Beck« zu lesen war, die »Group« fand keine Erwähnung – dafür verfluchte ich Mickie Most, nicht Jeff. War schon komisch, Sänger einer Band zu sein und noch nicht einmal mit einem Foto auf der Plattenhülle zu erscheinen. So war das damals eben, und ich hatte mich damit abzufinden.
Im Juni 1968 bestiegen wir in Heathrow einen Flieger der British Overseas Airways Corporation und begannen mit unserer USA-Tour. Endlich: das gelobte Land. Beck war bis dahin schon zahlreiche Male drüben gewesen. Als Star der Show konnte er sich gepflegt in der luxuriösen Ersten Klasse niederlassen. Für mich und Woody war das alles vollkommen neu. Wir quetschten uns in die Sitze der Touristenklasse, und dann setzte sich das Flugzeug auch schon quietschend in Bewegung in Richtung Startbahn und letztendlich in Richtung des Landes, von dem wir gelesen, über das wir gesprochen, an das wir gedacht und von dem wir seit unserer Kindheit geträumt hatten. Und: Im Flugzeug gab es einen Servierwagen! Mit Getränken drin! Freigetränken! Freudenschreie allenthalben! Wir glaubten, besser könne unser Leben nicht mehr werden.
Keiner vergisst je den Moment, wenn er Manhattan zum ersten Mal erblickt, wie es vor einem in den
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