ROD - Die Autobiografie
Vorhang.) Erst als wir in der Garderobe darauf warteten, dass der Strom wieder eingeschaltet wurde, fiel mir auf, dass ich die gesamte erste Nummer mit offenem Hosenstall gesungen hatte.
Wir gingen wieder raus auf die Bühne – und dieses Mal war die Hose zu. Es blieb jedoch chaotisch, und wir gaben, wie es eine Kritik im Melody Maker noch taktvoll ausdrückte, »eine ziemlich schlechte Figur ab«. Die Leute waren gekommen, um Roy Orbison und die Small Faces zu sehen, und unser mehr als holpriger Anfang erstickte ihr Interesse an unserer Musik im Keim. Jeff reagierte – wie so oft, wenn er im Zweifel war –, indem er den Drummer Roger Cook feuerte, was sehr schade war, denn sein Vater hatte ihm extra ein neues Schlagzeug gekauft. Als zweite Konsequenz zog Jeff die Band von der Tournee ab und steckte uns danach so lange in den Proberaum, bis wir in der Lage waren, etwas darzubieten, was man dem Publikum auch zumuten konnte. Ronnie und mich lud er außerdem öfter zu langen Plattenhör-Sessions in seiner Wohnung in Surrey ein. Wir versuchten dabei, so gut es ging, seinen großen, alten und müffelnden Afghanen namens Pudding zu ignorieren und hörten uns stundenlang Musik an, um daraus Inspiration und Mut zu ziehen – alles Mögliche, von den Erfindern des elektrischen Blues wie Jimmy Reed bis zu Motown-Pop-Gruppen wie den Four Tops. Mich trieb die Vorstellung an, dass es uns gelingen könnte, meine Vorliebe für Muddy Waters mit der für Soul-Sänger wie Sam Cooke, Otis Redding und Levi Stubbs zu vereinen – das erschien mir als etwas noch nie Dagewesenes.
Nachdem eine angemessene Zeit verstrichen war, kehrten wir mit frischem Selbstvertrauen wieder in die Öffentlichkeit zurück und nahmen unsere Runden durch Großbritannien und die üblichen Schuppen erneut auf. Allein Jeffs Beteiligung sorgte dafür, dass uns ein hohes Maß an öffentlichem Interesse entgegengebracht wurde – auch wenn das Publikum mir gegenüber anfangs eher skeptisch eingestellt war. Jeff hatte seine Fans: Gitarrenjünger, die zu den Konzerten pilgerten und ihm auf die Finger schauten. Diese Leute hatten Jeff für sich in Beschlag genommen und fragten sich, warum er mit diesem ziemlich unbekannten Sänger mit der hohen Stimme herumhing. Aber eins muss man Jeff lassen: Er hat mich verteidigt. Als man ihn einmal bei einem Interview mit der Behauptung konfrontierte, ich sei in meinem Bühnengehabe viel zu theatralisch, um mit einem ernsthaften Rockgitarristen wie ihm zu arbeiten, kam aus seinem Mund die überzeugende Gegendarstellung: »Er ist nicht theatralisch. Höchstens ein bisschen.«
Ich für meinen Teil musste ziemlich schnell eine Menge dazulernen. Verglichen mit den tighten, dicht instrumentierten Club-Bands, mit denen ich bisher aufgetreten war, bot diese Musik so viel Platz – eine Menge Raum für mich als Sänger, um mich auszudehnen. Es gab einen Gitarristen, der mir zuhörte, und ich achtete darauf, was er spielte. Wir reagierten aufeinander, das machte es so besonders. Ein Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Stimme und Gitarre, bei dem nichts vorher ausgearbeitet war und alles aus dem Gefühl heraus entstand. Jeff dröhnte kein einziges Mal meinen Gesang zu – er spürte immer, wann ich einsetzen und an welcher Stelle ich meinen Gesangspart etwas ausdehnen würde. Er wusste, wann er sich zurücknehmen und mir Platz machen musste und wo er wieder mit voller Lautstärke reinhauen konnte. Mir fällt keine andere Band ein, die zu der Zeit so etwas gemacht hätte. Die Musik erschien uns neu und unglaublich aufregend.
Dennoch war mir klar, dass die Band ihre eigenen, unverwechselbaren Stücke brauchte, damit sie sich weiterentwickeln konnte und es nicht bei »Hi Ho Silver Lining« blieb, das wir spielen mussten, weil es Jeffs großer Hit war. Wir taten das mit ironischer Distanz, mit albernen Handbewegungen, dümmlichem Grinsen und übertrieben enthusiastischen Gesangseinsätzen. (Besonders Woody und ich ließen uns einiges einfallen. Man könnte fast von Sabotage sprechen.) Ich fürchtete, dass wir ohne Eigenkompositionen dazu verdammt wären, bald kreativ auszubluten. (Und genauso kam es ja dann auch.) Es stellte sich als schwer heraus, geeignete Musik für uns zu finden. Es gab niemanden, der passendes Material für einen Rockgitarrenvirtuosen komponierte, der sich mit einem Möchtegern-Soulsänger zusammengetan hatte. Jeffs Stärken lagen nicht gerade auf dem Gebiet des Songschreibens. Also machten Woody und ich uns daran, die
Weitere Kostenlose Bücher