ROD - Die Autobiografie
Zum Selbstschutz mäkelte ich schon mal herum, bevor es ein anderer tun konnte. Mit einer gewissen Altersmilde muss ich sagen: Die Songs sind eigentlich ganz gut für den Anfang. Und das gilt auch für das gesamte Album. Es ist ein wildes stilistisches Sammelsurium, an manchen Stellen vielleicht etwas schlampig eingespielt. Beispielsweise sollte bei »An Old Raincoat Won’t Ever Let You Down« den ganzen Song durch der Bass-Part gedoppelt werden, aber auf einmal war Ronnie Wood dermaßen besoffen, dass wir nie dazu kamen, die zweite Bass-Spur ganz aufzunehmen. (Schon allein die Idee weist natürlich auf den jugendlichen Drang hin, sich abheben zu wollen: »Ich hab’s: Wir nehmen zwei Bässe bei dem Stück. Das wird klasse.«) Der Song fällt trotzdem nicht auseinander, der eine Bass trägt.
Das Album kam zuerst in den USA auf den Markt, im Oktober 1969, denn dort hatte ich nach den Tourneen mit der Jeff Beck Group bereits einige Fans. Ich wollte die Platte eigentlich Thin nennen, eins meiner Lieblingswörter damals – und weil ich mit eher dünnen Verkaufszahlen rechnete. Die amerikanische Plattenfirma wollte jedoch jeglichen Missverständnissen von vornherein aus dem Weg gehen und nannte die Dinge beim Namen: Sie veröffentlichten die Platte als The Rod Stewart Album . Um mir einen Gefallen zu tun, erschien bei der Erstauflage das Wort »thin« klein gedruckt in der linken unteren Cover-Ecke – und wirft seitdem Fragen auf, wenn es jemand entdeckt.
In Großbritannien erschien die Platte im Februar 1970, kurz nach meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag. Dort durfte ich den Albumtitel An Old Raincoat Won’t Ever Let You Down verwenden, der mir viel besser gefiel. Die Auswahl des Cover-Fotos, auf dem in einem Park ein älterer Kerl im langen Regenmantel anscheinend ein kleines Kind belästigt, dürfte allerdings heutzutage bei keiner Marketingabteilung mehr Zustimmung finden. Was soll ich sagen? Mich hat das Bild damals fasziniert.
Ich weiß noch, wie erleichtert ich war, als die Verkäufe in Amerika die 30 000er-Marke überstiegen. Ich dachte, alles in Ordnung, es gibt ein Publikum dafür. Und dann kletterten die Verkäufe dort schnell über 100 000 – das war für ein Debütalbum alles andere als kläglich. In Großbritannien blieb das Album allerdings ein »Kritikerfavorit«, was bedeutet, dass es nur den Kritikern gefiel. Und die mussten es natürlich nicht bezahlen. Immerhin noch besser, man hat Erfolg bei den Kritikern als überhaupt keinen. Am wichtigsten war jedoch, dass das Album genug einbrachte, um die Plattenfirma zu überzeugen, mir ein weiteres zu ermöglichen. Gerade mal ein halbes Jahr später, im Sommer 1970, ging ich erneut ins Studio und nahm Gasoline Alley auf.
Für Gasoline Alley brauchten wir alles in allem zwei Wochen – später, in den glorreich verschwenderischen Achtzigern, saß man allein schon so lange Kaffee trinkend auf einer Ledercouch herum und starrte Löcher in die Luft, bis der Tontechniker den Bassdrum-Sound eingestellt hatte. Andererseits sollte ich vielleicht das finanzielle Arrangement für dieses zweite Soloalbum nicht unerwähnt lassen: Mercury in den USA hatte Lou Reizner ein Budget von 12 000 Dollar für die Aufnahmen bewilligt. Was davon übrig blieb, nachdem die Musiker und die Studiozeit bezahlt waren, durfte ich behalten. Warum sollte ich mich also länger als nötig damit aufhalten, wenn ich doch ein Auge auf ein nettes Vier-Schlafzimmerhaus im nachgemachten Tudorstil in einer ruhigen Straße in Winchmore Hill geworfen hatte? Man muss wohl kaum Finanzbuchhaltung studiert haben, um das nachvollziehen zu können.
1969 hatte ich endlich genug Geld, bei meinen Eltern auszuziehen und in der Nähe mein eigenes kleines Haus zu kaufen, in der Ellington Street in Muswell Hill. Lange dauerte es nicht, bis ich mich erneut verbessern wollte. Das Haus behielt ich trotzdem und vermietete es an Long John Baldry weiter, der bald darauf in der Gegend von Muswell Hill zu den bekannteren Gesichtern zählte – was nicht unwesentlich damit zu tun haben könnte, dass er die Angewohnheit hatte, in Begleitung seines zahmen weißen Ziegenbocks, den er an der Leine führte, auf die Straße zu gehen.
Das zweite Soloalbum nahmen wir in den Morgan Studios in Willesden Green in Nordwestlondon auf, die nicht nur als erste Studios in London eine 24-Spur-Ampex-Bandmaschine hatten, sondern auch eine eigene Kellerbar. Man sollte meinen, das könnte sich als potenziell desaströs auf die
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