ROD - Die Autobiografie
als Koproduzent der ersten beiden Platten für Mercury aufgeführt. Doch ich kann mich nicht daran erinnern, dass er viel für die musikalische Ausrichtung getan hätte. Reizner besaß eine Sammlung von Rolls-Royce-Oldtimern und fuhr recht lässig in dem einen oder anderen beim Studio vor. Er war einer der nettesten Menschen auf der Welt, aber mit Sicherheit nicht die Sorte Produzent, die die Ärmel hochkrempelten und selbst mit anpackten. Erst recht nicht beim zweiten Album: Fast die ganze Zeit, die wir im Studio verbrachten, war er in Amerika, weil sein Bruder dort heiratete. Auch beim ersten Album, daran erinnere ich mich, saß er einfach nur dabei und beaufsichtigte uns. Vielleicht hätte er ja eingegriffen, wenn sich abgezeichnet hätte, dass wir es verbocken. Doch das passierte nicht, und deshalb steht für mich fest, dass ich diese beiden Platten produziert habe.
Vor die Aufgabe gestellt, passende Musiker anzuheuern, brachte ich vorwiegend alte Kumpel ins Spiel: Ronnie Wood, logisch, an Gitarre und Bass, Ian McLagan von den Small Faces an Klavier und Orgel. Mac war ein schmuddeliger Kunststudent, der schon seit den frühen Tagen von Eel Pie Island zur Szene gehörte, und ein brauchbarer Musiker. Und dann schleppte ich noch Micky Waller an, der bei Steampacket gewesen war und für kurze Zeit auf dem Schlagzeug-Schleudersitz der Jeff Beck Group gesessen hatte.
Micky war der einzige Mensch, der es schaffte, einem regelmäßigen Job als Studio-Drummer nachzugehen – offenbar ohne überhaupt ein Schlagzeug zu besitzen. Ins Studio kam er lediglich mit einer Kippe in der Hand, seinem Hund Zak (einem Boxer) und einen Stimmschlüssel, sonst nichts. (Zak ist es auch, den man bei »Sweet Little Rock’n’Roller« auf dem Album Smiler bellen hört.) Wir mussten erst mal Trommeln für ihn auftreiben – von der Band im Aufnahmeraum nebenan erbetteln oder von einem Musikladen in der Nähe ausleihen. Selbst nach zwei Alben, als wir »Maggie May« einspielten, hatte sich nichts daran geändert. Bis zum Nachmittag, als der Song aufgenommen werden sollte, hatten wir zwar Trommeln besorgen können, aber keine Becken. Alle Beckenabschläge mussten an einem anderen Tag aufgenommen werden, als endlich welche verfügbar waren. Hätte Elvis sich das gefallen lassen? Ich glaube kaum.
Micky war es aber wert. Er war ein großartiger Drummer, der einzige offizielle Lieferant des »Waller-Wumms«, wie wir seine Technik nannten. Außerdem war er ein extrem dankbares Opfer für Scherze auf seine Kosten – es ist immer gut, wenn so jemand bei einer Session mit dabei ist, das hebt die Stimmung in stressigen Zeiten. Einmal habe ich Micky in den Aufnahmeraum geschickt, um einen Tambourin-Part einzuspielen. Über die Sprechanlage erklärte ich ihm, dass es sich irgendwie noch nicht so richtig gut anhöre.
»Micky«, meinte ich, »vielleicht sollten wir es wegen des Raumklangs noch einmal woanders probieren.«
Also wurden Verlängerungskabel herbeigeschafft und das Mikro im Stockwerk darunter am Empfang aufgebaut. Der nächste »Take« folgte, unter den fragenden Blicken einer verwirrten Empfangsdame.
»Nee, Micky, immer noch nicht gut genug. Was meinst du, versuchen wir es mal auf der Straße?«
Also stand dann Micky Waller mit Kopfhörern auf dem Bürgersteig in der Lansdowne Road im Stadtteil Holland Park und drosch auf ein Tambourin ein, während ihm die Fußgänger auszuweichen versuchten und der Straßenverkehr an ihm vorüberfloss. Er kam überhaupt nicht dahinter, dass wir ihn verarschten, bis wir ihn zurückriefen und er sah, wie wir uns alle vor Lachen auf dem Boden wälzten.
Nach der Jeff Beck Group war Micky bei der Band Steamhammer eingestiegen, die ich mir auch im Marquee angesehen hatte. Martin Pugh und Martin Quittenton, die beiden Gitarristen, hatten mich dabei schwer beeindruckt, also habe ich sie ebenfalls für meine Platte angeheuert. Wir verstanden uns alle ziemlich gut.
Für die erste Platte brauchten wir eineinhalb Wochen; gearbeitet wurde in dem Studio in der Lansdowne Road und in den Olympic Studios in Barnes, im Londoner Südwesten. Lansdowne Road war nicht gerade eins der am üppigsten ausgestatteten Studios, tatsächlich war es schon ein bisschen heruntergekommen. Aber wenn es in der Vergangenheit gut genug gewesen war für Lonnie Donegan, dann war es auch gut genug für mich. Während der Sessions war ich am liebsten im Aufnahmeraum bei der Band, lief mit dem Mikro in der Hand herum, damit ich ihnen in die
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