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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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und waren nicht voll erbberechtigt. Doch ist anzunehmen, dass diese Einschränkungen oft missachtet oder ignoriert wurden, und das Stigma verschwand auf jeden Fall, wenn eine Prostituierte heiratete. Das römische Rechtssystem ließ die Prostituierten im Allgemeinen unbehelligt.
    Soweit bekannt ist, waren den Behörden die moralischen Aspekte der Prostitution einerlei. Schließlich war der Verkehr mit Prostituierten kein Verstoß gegen das Gesetz und, was den Mann anging, nicht einmal gegenmoralische Normen, da er nicht als Ehebruch galt. Für die Frau bedeutete die sexuelle Freizügigkeit zwar einen Makel, aber auch hier bestand kein rechtliches Verbot oder eine Strafe. Unwahrscheinlich ist, dass Prostituierte verpflichtet waren, sich bei den Behörden registrieren zu lassen. Da der Elite an einer »Kontrolle« der Prostituierten nicht das Mindeste gelegen war, bestand kein Grund für diesen Aufwand. Aber irgendwann dämmerte es den Behörden, dass entsprechende Dienstleistungen eine mögliche Steuerquelle darstellten. Ab der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zahlten Prostituierte tatsächlich eine Steuer. Da eine solche Steuer zuvor nur für Athen sicher belegt ist, dürfte der Anstoß zum römischen Steuererlass in dieser früheren Praxis zu suchen sein. Die ersten dokumentarischen Belege stammen aus der Zeit Neros, doch schon Caligula machte ihn zur Regel:
     
    Vom Stundenlohn der Prostituierten kassierte der Staat so viel, wie eine Dirne mit einem Beischlaf verdiente. Dieser Gesetzesparagraph wurde noch dadurch ergänzt, daß auch die dem Staat zu diesen Steuern verpflichtet seien, die einmal dem Gewerbe einer Dirne oder eines Kupplers nachgegangen seien, ja sogar Ehefrauen fielen unter das Gesetz. (Sueton,
Leben des Gaius
40 – 41)
     
    Nach Sueton entsprach der Steuerbetrag also dem Preis für einen Beischlaf, und seine Entrichtung konnte durch die Behauptung, man sei aus dem Geschäft ausgestiegen, nicht umgangen werden. Um diese »Dienstleistungssteuer« einzutreiben, mussten sich die Ämter über die Identität der Sexarbeiterinnen auf dem Laufenden halten. Der Einzug der Steuern (und damit die Verantwortung für die Aufsicht) oblag in den verschiedenen Regionen des Reiches verschiedenen Funktionären – teils den Steuereintreibern, teils den Beamten, am häufigsten aber offenbar Soldaten, die für diese Aufgabe abkommandiert wurden. Sie hatten die Steuern zu kassieren, betätigten sich aber oft auch als Wucherer. Ich denke hier etwa an Johannes den Täufer, der wie erwähnt Soldaten dazu anhielt, sich mit ihrem Sold zufrieden zu geben – etwas, das offensichtlich nur selten der Fall war. Prostituierte, die selbständig arbeiteten, stellten die Steuereinnehmer vielleicht vor Probleme, während die in privaten Bordellen beschäftigten registriert und identifiziert werden konnten. Und noch einfacher machten es die städtischen Bordelle, doch das hielt die kaiserlichenBeamten nicht davon ab, umso mehr Geld zu erpressen, wie ein Dokument aus Chersones an der Schwarzmeerküste bezeugt. Die missbräuchliche Behandlung der Prostituierten selbst, die dieses System ermöglichte, kann man nur ahnen.
    Mit den Behörden hatten es die Prostituierten auch bei einer weiteren Gelegenheit zu tun: Wenn sich bei kultischen Festen oder etwa an einem besonderen Markttag mehr Menschen als gewöhnlich in einer Stadt einfanden, wurde den Prostituierten eine Tageslizenz ausgestellt, vermutlich gegen Gebühr, was allerdings nicht ausdrücklich bezeugt ist. Eine solche Lizenz liegt aus Ägypten vor:
     
    Pelaias und Sokraton, Steuereinnehmer, an die Prostituierte Thinabdella, Grüße. Wir geben dir die Erlaubnis zum Geschlechtsverkehr an diesem Ort, mit wem immer du willst am unten angegebenen Tag. Jahr 19, der 3. Tag des Monats Phaophi. [gezeichnet] Sokraton, Sohn des Simon. (
WO
1157)
     
    Zwar fehlen uns detaillierte Kenntnisse darüber, auf welche Weise eine so mobile Dienstleistung wie die Befriedigung sexueller Bedürfnisse kontrolliert werden konnte, doch offensichtlich hatten die Römer die Sache im Griff. Der Tarif basierte wieder auf dem Preis eines einzelnen Beischlafs. Ein Dokument aus Palmyra, im fernen Osten des Reiches, nennt genau drei verschiedene Beträge: ein Preis von einem Denar oder mehr pro Beischlaf erbrachte einen Denar, ein Preis von acht Assen (acht Zehntel eines Denars) erbrachte den entsprechenden Betrag, und dasselbe galt für den Preis von sechs Assen (sechs Zehntel eines Denars). Wie viel

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