Römer im Schatten der Geschichte
Menschen damit zu Schmach und Schande macht, dass sie ein unmoralisches Leben führte, aber am Ende ihr Gewerbe ausübte … Ja, ich habe sogar Mitleid mit der Unglücklichen, denn als sie lebte, war sie jedem verfügbar, genau wie ein Leichnam. Denn die Armut des Schicksals der Mutter drückte sie so überwältigend nieder, dass sie ihre Tochter zu einem schmachvollen Preis verkaufte, so dass sie in den schlechten Ruf einer Prostituierten geriet.« (
BGU
IV 1024, Kol. VI / Rowlandson, Nr. 208)
Diodemus wurde schuldig gesprochen, hingerichtet und ein Zehntel seines Vermögens der Mutter übergeben, »die der Armut wegen, die sie einschnürte, ihre eigene Tochter vom Pfad der Tugend wegzog, weshalb sie sie verloren hat …« Man sollte auch die Sympathie zur Kenntnis nehmen, die der Beamte für die Mutter und postum für die Tochter empfand, die zur Prostitution genötigt wurde – eine Sympathie, die so weit ging, dass er zur Bestrafung eines Standesgenossen bereit war. Auch in der Literatur drängen Mütter ihre Töchter zur Prostitution, damit sie Geld nach Hause bringen. In Lukians
Hetärengesprächen
sind solche Mütter dargestellt.
Andere Frauen flüchteten sich in diesen Beruf. Wieder andere wuchsenin der Sklaverei auf, und viele wurden für diese Arbeit versklavt. Das Mädchen, das von Räubern oder Piraten entführt und in die Sklaverei verkauft wird, ist in den Romanen dieser Zeit ein stehendes Motiv. Im
Goldenen Esel
sieht sich Charite, die Tochter einer Oberschichtsfamilie aus der Provinz und Gefangene von Räubern, diesem Schicksal gegenüber. Die Banditen haben beschlossen, sie wegen eines Fluchtversuchs zu töten, als einer der Männer, in Wirklichkeit Charites Verlobter, der sich unerkannt Zugang zu der Bande verschafft hat, zu einem anderen Vorgehen drängt:
… sofern ihr die Jungfrau vernichten solltet, dürftet ihr lediglich – ohne jeden Gewinn – euer Mütchen kühlen. Ich bin vielmehr der Meinung, man sollte sie in irgendeine Stadt abführen und dort verkaufen; so etwas Knuspriges wird man ja für einiges Geld losschlagen können. Ich kenne nämlich auch selber von früher her gewisse Hurenwirte, von denen der eine oder der andere, wie ich erachte, das Mädchen da ihrem Stande entsprechend für eine wirklich erkleckliche Summe erstehen kann, daß sie auf den Strich geht statt wie jetzt auf- und davonzulaufen und auch als Dienstperson im Bordell euch ein gut Teil Buße abdient. (
Der goldene Esel
7,9)
Ein weiteres Standardthema der Literatur sind Findelkinder, die für die Prostitution aufgezogen werden, was auch durch andere antike Zeugnisse bestätigt wird.
Prostituierte waren buchstäblich überall. Schätzungen zufolge kam in Pompeji auf vielleicht hundert Einwohner (Männer, Frauen und Kinder) eine Prostituierte, basierend auf geschätzten hundert Prostituierten bei einer Bevölkerung von 10 000 Einwohnern. Die Zahl läge um einiges höher für Frauen im blühenden Alter von, sagen wir, 16 bis 29 Jahren. Vormodernes Vergleichsmaterial deutet auf etwa zehn bis zwanzig Prozent Frauen, die zumindest zeitweise als Prostituierte arbeiteten. Bei durchschnittlich etwa zehn Kunden pro Tag, eine vergleichsweise moderate Zahl, bedeutete das, dass es allein in Pompeji täglich tausend Mal zum Geschlechtsverkehr kam. Auf den ersten Blick mögen diese Zahlen sehr hoch erscheinen, aber die Verbindung einer starken Nachfrage mit einem relativ geringen gesundheitlichen Risiko (vgl. u.) und dem Fehlen alternativer Verdienstmöglichkeiten für Frauen trieb viele in die Prostitution. Der Elite galt jede Dirne automatisch als einer Heirat unwürdig, und dereigenen Ehefrau die Prostitution offen oder indirekt zu erlauben oder sie dazu zu nötigen hätte man in diesen Kreisen zweifellos aufs schärfste missbilligt. Doch von den Römern der Mittel- und Unterschicht wurde diese Einstellung nicht unbedingt geteilt. Ein Ehemann konnte seine Frau durchaus sexuell missbrauchen, indem er sie zwang, sich zu prostituieren:
Es träumte einer, er führe seine Frau wie ein Opfertier vor und schlachte sie, schneide ihr Fleisch in Stücke, verkaufe es und erziele damit einen ansehnlichen Gewinn. Es träumte ihm weiter, er empfinde Freude darüber und versuche, das eingenommene Geld aus Furcht vor dem Neid der Umstehenden zu verstecken. Dieser Mann verkuppelte seine eigene Frau und bestritt mit dem schmutzigen Geschäft seinen Lebensunterhalt. Dieses war für ihn zwar eine gute Einnahmequelle, durfte
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