Römer im Schatten der Geschichte
der väterlichen Aufsicht befreit und konnte sein eigenes Testament aufsetzen. Der Wehrdienst war von langer Dauer, und es war nicht auszuschließen, dass Krieg, Krankheit oder ein Unfall dem Leben des Soldaten ein Ende setzten, bevor er den Gewinn einziehen konnte, den der Status des Veteranen bereithielt. Generell aber standen die Chancen nicht schlecht, und viele Männer ergriffen sie.
KÄUFLICHE LIEBE:
PROSTITUIERTE
»Du mit den Rosen, so schön wie die Ware – was willst Du verkaufen? / Rosen? Oder dich selbst? Oder gar beides zugleich?« (Dionysios Sophistes in:
Anthologia Graeca
–
Griechische Anthologie
5,81)
O b Sklave oder Freier – der Lebensweg des gewöhnlichen Mannes wurde oft von seinen Fähigkeiten bestimmt. Körperkraft beim Bauen, Graben oder Pflügen war für einen jungen Mann von Vorteil, gleichgültig, ob er selbständig oder als Sklave arbeitete. Ein älterer Mann konnte Kenntnisse im Schustern oder Schmieden oder im Weinbau im eigenen Interesse oder dem eines Herrn nutzen. Eine erwachsene Frau konnte Haushalt und Familie vorstehen, in einem Laden aushelfen oder Heimarbeit leisten, auch sie entweder selbständig oder als Sklavin. Für ein Mädchen oder eine junge Frau hielt die Zukunft vielleicht eine Heirat bereit – oder auch die sexuelle Ausbeutung zu anderer Profit. Denn wie der junge Mann die Kraft seines Körpers einsetzen konnte, um der Nachfrage nach Schwerarbeit zu entsprechen, so konnte der Körper einer Frau benutzt werden, um den Bedarf an Sexualität zu befriedigen. Das Leben war oft von Zufall, Gefahr und Erniedrigung bestimmt. Doch Sklaverei wie Armut zwangen eine junge Frau, selbst tätig zu werden. Ihre Fähigkeit, sexuelles Begehren zu befriedigen, traf sich mit den lüsternen Bedürfnissen von Männern einer Kultur, in der die Keuschheit verheirateter Frauen oberstes Gebot war – Voraussetzungen für ein profitables Geschäft, das viele Sklavenbesitzer ebenso wie freie Frauen und ihre Familien nicht außer Acht lassen konnten.
Ich beziehe mich hier auf Frauen, doch ist anzumerken, dass in antikenQuellen auch die Existenz männlicher Huren ausdrücklich bezeugt ist, die vermutlich sowohl männliche wie weibliche Kunden bedienten. So bemerkt der römische Rechtsexperte Julius Paulus, dass ein Prostituierter von einem Ehemann getötet werden darf, wenn dieser ihn mit seiner Ehefrau in flagranti erwischt (
Sententiae
2,26,4). Allerdings gibt es weder spezifische Bemerkungen noch Regeln oder Gesetze, die nur Männer betreffen oder Männer im Unterschied zu Frauen. Im Bemühen, meine Darstellung flüssiger zu gestalten, habe ich männliche Prostituierte darum nicht als gesonderte Kategorie behandelt. Es ist allerdings wichtig zu beachten, dass sie existierten und neben den Frauen ihr Gewerbe betrieben.
Das Leben einer Prostituierten darf nicht romantisiert werden. Auf jede Frau, die sich zu einem solchen Leben entschloss, kamen zahlreiche andere, denen es aufgezwungen wurde. Namentlich Sklavinnen waren hilflos und der Ausbeutung ausgeliefert. Zwar konnten Sklavenhalter die künftige Prostitution eines Sklaven durch eine Klausel im Verkaufsvertrag ausschließen, doch fehlt jeder Hinweis darauf, dass dies sehr häufig geschah. Vielmehr lässt sich mit guten Gründen vermuten, dass der Herr nichts anderes im Sinn hatte als maximalen Profit, wenn es um die Prostitution von Sklaven ging, von denen einige zu ebendiesem Zweck gekauft wurden. Kinder waren solcher Ausbeutung besonders schutzlos ausgeliefert. Auch freie Frauen müssen oft aus einer verzweifelten Situation heraus gehandelt haben, wenn ihnen die Armut auf den Fersen war und die Familie sie vielleicht dazu drängte, ein kleines Einkommen beizusteuern. Während ein Sklavenbesitzer möglicherweise einschritt, um die schlimmsten Formen von Massenvergewaltigungen zu verhindern, da sein Eigentum beschädigt wurde, hatten freie Frauen nicht einmal diesen schwachen Schutz, es sei denn, ein Kuppler mischte sich ein. Der körperliche Missbrauch durch Kunden war mit Sicherheit üblich. Gewaltsamer Geschlechtsverkehr musste zu vaginalen und analen Verletzungen und zu Harnwegsinfekten führen. Es war ein hartes, ein verzweifeltes Leben. Das sollte man sich immer vor Augen halten, wenn man an die geistige Welt und die Optionen von Prostituierten, Sklaven wie Freien, denkt.
Im Folgenden geht es nur um die Frauen, die gewöhnliche Prostituierte werden, und um deren Kunden. Zwei andere Typen von Prostituierten übergehe ich:
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