Römer im Schatten der Geschichte
diejenigen, die vorgeblich im Tempel dienten, und die»Klassefrauen«, die den Wohlhabenden zu Diensten waren. Einige wenige Belege scheinen zwar darauf hinzudeuten, dass in der römisch-griechischen Welt so etwas wie Tempelprostitution geübt wurde, doch hat eine jüngst publizierte, sehr sorgfältige und umfassende Studie überzeugend dargelegt, dass dergleichen weder in Korinth (der Hauptkandidatin) noch andernorts existierte. Daher spielen Tempelprostituierte im Leben der gewöhnlichen oder auch anderer Römer keine Rolle. Anders die Edelprostituierten, die in der Gesellschaft sehr präsent waren. Sueton, Schriftsteller und Gelehrter der Oberschicht, ist Verfasser eines leider verlorenen Werks über »Das Leben berühmter Prostituierter«. Wie auch andere Schriftsteller war er fasziniert von diesen Kurtisanen; die Details sexueller Exzesse in einer sozialen Klasse, die die Moral hochhielt, sorgten für angenehmen Kitzel; die Verbindung von unverblümter Ausschweifung, Heuchelei und häufig auch höfischen Intrigen hatte ihren unwiderstehlichen Reiz. So richtet Kaiser Gaius (Caligula) in seinem Palast ein Bordell ein:
Und um keine Quelle, Gewinn zu machen, unerprobt zu lassen, errichtete er auf dem Palatin ein Bordell; dort hatte er mehrere kleine Räume abtrennen und einrichten lassen, so wie es der Würde des Ortes angemessen war; in diesen Räumlichkeiten mußten sich verheiratete Frauen und freigeborene junge Leute zur Liebe feilbieten. Dann schickte er Ausrufer über alle Foren und in alle Basiliken, die junge und alte Männer animieren sollten, ihre Lüste auszuleben. Denjenigen, die kamen, stellte er Geld gegen Zinsen zur Verfügung, und es standen Leute dabei, die ihre Namen öffentlich aufschrieben, so als seien das die Leute, die halfen, die Einkünfte des Kaiser aufzubessern. (Sueton,
Leben des Gaius
41)
Sueton und Tacitus erzählen grelle Geschichten von kaiserlichen Frauen, die sich der Prostitution oder einer ähnlichen Tätigkeit hingaben, wobei gerade die Betonung dieser Erscheinungen deutlich macht, wie ungewöhnlich sie waren. Realistischer ist die Feststellung: Kurtisanen gab es, und sie standen der männlichen Oberschicht zu Diensten. In Plautus’
Eselskomödie
zum Beispiel dreht sich alles um einen Wohlhabenden, der sich der Dienste einer jungfräulichen Kurtisane versichern will, und Lukians
Hetärengespräche
zeigen, wie man sich das Leben der Edelprostituierten vorstellte. Obwohl in den historischen Aufzeichnungen nur wenigeNamen genannt werden, darf man annehmen, dass solche Frauen, die als Konkubinen oft zur Dauererscheinung wurden, einen gewissen Einfluss auf den Lauf der Dinge ausüben konnten. Natürlich bediente sich die Elite bei Gelegenheit auch gewöhnlicher Prostituierter, wie von den Kaisern Caligula, Nero und anderen berichtet wird. Aber da sie über eigene Sklavinnen verfügten und die Mittel hatten, sich eine Frau als Konkubine zu halten, war der Gang zur gewöhnlichen Prostituierten meist überflüssig.
Ich lasse die mythische Tempelprostitution und die sehr realen Kurtisanen der Elite beiseite und wende mich den normalen Prostituierten zu, wie sie im römischen Gesetz definiert sind: »Nicht nur von einer solchen, welche in einem Hurenhaus sich Preis gibt, sondern auch, wenn Eine, wie es zu geschehen pflegt, in einem Wirtshause, oder sonst wo ihre Schamhaftigkeit nicht bewahrt, werden wir sagen, dass sie öffentlich mit ihrem Körper Gewinn treibe« (
Digesten
23,2,43/pr. 1). Prostitution wurde nicht gesetzlich bestraft. Sie war legal, und eine Prostituierte konnte ihres Berufs wegen nicht gerichtlich belangt werden. Sexuelle Beziehungen zu einer Prostituierten galten nicht als Ehebruch, und eine unverheiratete Liebesdienerin konnte weder Beteiligte an einem Ehebruch noch selbst des Ehebruchs schuldig sein.
Stuprum
(illegaler Geschlechtsverkehr), der Begriff für sexuelle Beziehungen zu unverheirateten Mädchen/Frauen (oder Witwen) oder Knaben/Männern, war auf sexuelle Beziehungen zu Prostituierten nicht anwendbar. Diese konnten weder den Stammbaum der Familie gefährden noch die sexuelle Reinheit einer möglichen Ehefrau beeinträchtigen. Doch blieben gewisse Beeinträchtigungen der Rechtsfähigkeit: Prostituierte waren
probrosae
, das heißt, sie konnten gemäß den Heiratsgesetzen des Augustus keine freigeborenen römischen Bürger ehelichen. Außerdem waren sie dem prätorischen Edikt zufolge von der
infamia
betroffen – sie konnten kein Testament schreiben
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