Römer im Schatten der Geschichte
Schauplätzen wie dem Theater oder Amphitheater bot vielleicht die beste Möglichkeit, den Herrschenden die Stirn zu bieten. In den Gladiatorenspielen konnten auch stellvertretend regionale Eifersüchteleien und Rivalitäten ausgetragen werden. Das wohl berühmteste Beispiel dafür ist die Erzfeindschaft zwischen den Bewohnern der Kleinstädte Nuceria undPompeji in Kampanien. Der Historiker Tacitus beschreibt die Ausschreitungen zwischen Nucerinern und Pompejanern, die während eines Gladiatorenwettkampfs unter den Zuschauern ausbrachen:
Zur selben Zeit kam es, ausgehend von einem unbedeutenden Streit, zu einem entsetzlichen Blutbad zwischen den Siedlern von Nuceria und Pompeii aus Anlaß eines Fechterspiels, das Livineius Regulus veranstaltete, dessen Entfernung aus dem Senat ich berichtet habe. Zuerst mit kleinstädtischem Mutwillen sich gegenseitig neckend, gingen sie zu Beschimpfungen über, griffen dann zu Steinen, zuletzt zum Schwert, wobei die Plebs von Pompeii, wo das Spiel stattfand, die Oberhand behielt. So brachte man viele von den Nucerinern durch Wunden entstellt in die Stadt, und sehr viele hatten den Tod von Kindern oder Eltern zu beklagen. Die Entscheidung in dieser Angelegenheit übertrug der Princeps dem Senat, der Senat den Konsuln. Und als die Sache dann wieder an die Väter zurückverwiesen wurde, verbot man den Pompejanern insgesamt auf zehn Jahre den Besuch derartiger Veranstaltungen und löste die Vereinigungen auf, die sie im Widerspruch zu den Gesetzen gegründet hatten; Livineius und wer sonst noch den Aufruhr veranlaßt hatte, wurde mit der Verbannung bestraft. (
Annalen
14,17)
Erstaunlicherweise ist in Pompeji ein Fresko erhalten geblieben, das ebendiese Unruhen darstellt (Taf. 27). Ein paar Bürger kämpfen in der Arena, während Nuceriner und Pompejaner draußen mit Stöcken und Fäusten aufeinander losgehen. Ein andernorts gefundener Graffito liest sich wie ein Kommentar zu dem Fresko: »Kampaner, mit einem Sieg seid ihr erledigt, zusammen mit denen aus Nuceria« (
CIL
IV 1293/Hunink, Nr. 385). Andere Graffiti drücken ähnliche Gedanken aus, die aber wahrscheinlich mit dieser Veranstaltung nicht in direktem Zusammenhang stehen: »Alles Schlechte für die aus Nuceria!« (
CIL
IV 1329/Hunink, Nr. 381), »Heil den Puteolanern, Glück allen Nucherinern und zum Henker mit den Pompejanern …« (
CIL
IV 2183/Schumacher, Nr. 263). Man sieht, die Gefühle kochten hoch, nicht nur, was den Sieg in einem bestimmten Fechtkampf betraf.
Der Gladiator konnte nicht nur mit der Bewunderung der Menge rechnen, sondern auch mit einem großen Angebot an Sexualpartnerinnen. Die Verehrung, um nicht zu sagen Begierde, die die Frauen den Gladiatorenentgegenbrachten – praktisch nackten, muskulösen Gestalten, strahlend im Glanz ihrer
virtus
und notorisch verfügbar –, war allgemein bekannt. Der Reiz sexueller Eroberung, der mit den Siegen in der Arena einherging, spricht auch aus den Graffiti von Pompeji: In einigen Kritzeleien prahlt der erfolgreiche Gladiator Celadus: »Seufzer der Mädchen: der Thraker Celadus aus Octavius’ Schule, 3 (Kämpfe), 3 (Siege)« (
CIL
IV 4342 =
ILS
5142 a /Hunink, Nr. 335) und: »Stolz der Mädchen: Celadus der Thraker« (
CIL
IV 4345 =
ILS
5142 b /Hunink, Nr. 336).
Es wäre allerdings ein Irrtum anzunehmen, dass jeder Gladiator zum Liebling der Menge wurde. Auf jeden Mann, der das Herz des Publikums gewann, kamen viele andere, die sich mehr schlecht als recht durchschlugen, die sich mühsam am Leben hielten und kaum Bewunderung erregten. In seinen
Satyrica
lässt Petron einen Kritiker solcher Kämpfer zu Wort kommen. Nach einem Loblied auf künftige Spiele, in denen freie, nicht versklavte Gladiatoren auftreten, Männer zudem, die den Kampf nicht scheuen, fügt Echian hinzu:
Und wirklich wahr, was hat der andere [ein reicher Pompejaner] uns zu Gefallen getan? Er hat Gladiatoren präsentiert, die gerade einen Fünfer taugten und schon marode waren, zum Umfallen, wenn man sie angepustet hätte; ich habe schon bessere Leute vor die wilden Tiere werfen sehen. Was er an Berittenen töten ließ, waren Nippesfiguren, man konnte sie für Gockelhähne halten; der eine ein alter Packesel, der andere ein Schlappschwanz, der Reservemann eine Leiche als Leichenersatz mit seinen angeschlagenen Flechsen. Der einzige mit etwas Dampf war der Thraker, der sich wenigstens seinerseits nach den Regeln der Kunst geschlagen hat. Kurz und gut, alle kriegten später die Peitsche;
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