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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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der Mutter weissagte ihm die Ehrlosigkeit seines Standes, und das Getragenwerden in einem Backtrog versinnbildlichte die Gefahr, in der er immer und unablässig schwebte; denn das, was man in einen Backtrog legt, wird auf jeden Fall verbraucht. Und der Mann wäre als Gladiator umgekommen, wäre er nicht abgesetzt worden und nach Hause zurückgekehrt; denn erst spät kam er auf energisches Betreiben von Freunden von den Gladiatoren frei. (
Traumbuch
5,58)
     
    Infamia
war bestenfalls ein diffuser Begriff und ganz zweifellos keine Rechtsformel. Er wurde als Allerweltsfloskel zur Etikettierung vieler Verhaltensweisen benutzt, die den grundlegenden Gesellschaftsvertrag zu unterhöhlen schienen. Zur
infamia
führte zum Beispiel eine Verurteilung durch das Strafgericht oder in vielen Fällen auch durch das Zivilgericht, desgleichen verwerfliches Verhalten wie ein Konkurs, die Schädigung eines anderen
(iniuria)
und unehrenhafte Entlassung aus der Armee. Als Schande galten auch bestimmte Berufe, so die Kuppelei oder die Prostitution und, was im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist, die Tätigkeit des Gladiatorenmanagers bzw. »-zuhälters«
(lanista)
oder des Gladiators selbst.
    Die Schriften der Oberschicht könnten den Gedanken nahelegen, dass die Verrufenheit der Gladiatoren eine gesellschaftlich vernichtende Brandmarkung war. Im Geist der Elite und zugleich aus der neuen Sicht eines Christen schreibt Tertullian:
     
    … diejenigen, die die Schauspiele veranstalten und verwalten, sind dieselben, die jene ungemein beliebten Wagenlenker, Schauspieler, Athleten und Gladiatoren – denen die Männer ihre Seelen unterwerfen, die Frauen aber sogar auch noch ihre Körper preisgeben und derentwegen sie Dinge tun, die sie (sonst) tadeln – abwerten und herabsetzen, und zwar aufgrund derselben Tätigkeit im Spielewesen, derentwegen sie sie rühmen. Mehr noch: Sie verurteilen diese Leute ganz offen zu einer schimpflichen sozialen Stellung und zu bürgerlichem Ehrverlust, indem sie sie von der Curia, der Rednertribüne, dem Senat, dem Ritterstand und von allen anderen Ehrenstellen ebenso ausschließen wie von mancherlei Auszeichnungen. Welch eine verkehrte Welt! Sie lieben die, die sie erniedrigen, würdigen die herab, denen sie Beifall spenden; sie feiern die Kunst und brandmarken den Künstler. (
Über die Spiele
22,2 f.)
     
    Sein Urteil über die Gladiatoren lautet, »man müsse diesen Leuten die Vorzüge ehrenhafter Stellungen entziehen und sie gewissermaßen auf eine Klippe des üblen Leumundes verbannen« (
Über die Spiele
23,1).
    Doch im Leben der normalen Bevölkerung blieb jede Stigmatisierung, ob rechtlicher oder praktischer Art, wie sie in der Oberschicht weithin verbreitet war, so gut wie bedeutungslos. Praktische Folgen hatte die Etikettierung als durch Handlung oder Beruf »entehrt« für den Gladiator im Grunde kaum. Zum einen zieht es keine Verurteilung nach sich, wenn man der »Schande« bezichtigt wird. »Schande« ist Begleitumstand einer gesetzlich bestraften oder sozial missbilligten Handlung, doch niemand wird wegen »Schande« dem Richter vorgeführt. Allerdings hatte die
infamia
rechtliche Auswirkungen. Der Ehrlose konnte zum Beispiel in einer Rechtssache weder als Vertreter noch als Belastungszeuge fungieren noch seine Person vertreten lassen – er musste sich selbst verteidigen. Auch konnte er keine Klage vor Gericht bringen, aber das war auch Minderjährigen, Frauen, unter Vormundschaft Stehenden, Freigelassenen (wenn ihr Patron betroffen war) und amtierenden Magistraten verwehrt. Natürlich konnte, wie Tertullian bemerkt, ein Gladiator nicht zum Senator oder Ritter oder lokalen Beamten werden, doch welcher Gladiator hätte sich dergleichen erträumt oder gewünscht oder auch nur durch den Kopf gehen lassen? Auch die gewöhnlichen Römer auf den Rängen der Arena kümmerte es keinen Deut – schließlich kamen infolge der Gesellschaftsstruktur auch sie, die keineswegs Ehrlosen, für diese Funktionen nicht in Frage! Die »Schande« konnte einen Gladiator von einer Begräbnisstätte ausschließen, aber das hing von der Haltung des Besitzers ab und von seiner Einstellung zur Beisetzung von verfemten Personen in seiner Begräbnisstätte. War ein Gladiator so sorg- oder glücklos, sich
in flagranti
erwischen zu lassen, konnte ihn der entehrte Gatte wie einen Sklaven behandeln, das heißt, ihn auf der Stelle töten. Doch dieses Plazet war wohl eher die Folge der Adaption an die Sklaverei, die der Eid

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