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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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einsetzten. Sie waren darauf bedacht, »den Frieden zu wahren«, und konnten, wie im
Goldenen Esel
, eine Volksmenge losschicken, um Banditen anzugreifen. Doch wenn nicht ein abscheuliches Verbrechen gegen Angehörige der Elite vorlag oder wenn niemand die Initiative ergriff, war Untätigkeit an der Tagesordnung. Die Menschen blieben im Kampf gegen den Diebstahl sich selbst überlassen, wie das
Carmen
deutlich macht, das wiederholt Fragen nach dem Aussehen der Diebe, dem Versteck des Diebesguts oder der Identität der Diebe nachgeht. Diese Situation wiederum hatte zur Folge, dass die Menschen Maßnahmen trafen, um ihr Eigentum zu schützen.
    War ein Dieb gefasst, konnte er den Gerichten übergeben werden, doch es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er einem gewalttätigen Mob zum Opfer fiel und gelyncht wurde. Das geschieht im
Goldenen Esel
, als ein Aufgebot aus Hypata Räuber aufgreift und sie an Ort undStelle mit dem Schwert tötet oder sie über die Klippen wirft. Wurden Sklaven gefasst, versuchte man sie durch Folter zu Geständnissen zu bringen. Die Strafen, die ein Verurteilter erlitt, sind für unser modernes Empfinden äußerst grausam. Aber darum ging es – mögliche Täter durch die Furcht vor bestialischen Strafen abzuschrecken: Abhacken der Hände, Auspeitschungen, Verurteilung zur Arbeit in den Minen oder als Gladiator, Enthauptung, Erhängen, Tod durch Klauen und Zähne wilder Tiere und Kreuzigung. Solche Strafen waren die zwangsläufige Folge des durchgehend gewalttätigen Charakters der Welt des einfachen Mannes. In jüngster Zeit zeigt man sich betont entsetzt von den Kämpfen der Gladiatoren und den öffentlichen Spielen mit Aufführungen von Mythen, bei denen der Tod eines der Beteiligten von vornherein einkalkuliert war. Wichtiger aber ist es, sich klarzumachen, dass für den einfachen Mann jeder Aspekt des Lebens Gewalt einschloss, dass Gewalt normal war. Er konnte seine Sklaven (und manchmal auch die eines anderen) durch Schläge, Vergewaltigung oder Beschimpfungen misshandeln; seine Kinder unterstanden uneingeschränkt der väterlichen Gewalt und konnten nach seinem Belieben körperlich bestraft werden. Auch die Ehefrau hatte der Gewalt vonseiten des Mannes nur wenig entgegenzusetzen. Außerhalb der Familie waren Kämpfe ein gebräuchliches Mittel, persönliche Differenzen beizulegen, denn die prägende Kultur der Scham und der Ehre ließ im Fall wirklicher oder eingebildeter Kränkungen gewaltsame Formen der Selbstbestätigung zu. In der Regel war der einfache Mann zwar insofern »unbewaffnet«, als er, vor allem wenn er zu den Ärmeren gehörte, kein Kampfgerät wie ein Schwert zur Hand hatte; doch standen ihm andere Objekte wie Steine, Stöcke, Jagdspeere, Werkzeug, Pflastersteine und dergleichen zur Verfügung, und er benutzte sie, wie sie auch ihm gegenüber unter Umständen benutzt wurden. Die von Artemidor geschilderten Träume machen deutlich, dass persönliche Feinde auf Angriffe aller Art aus sein konnten und dass man sich jederzeit vor Verrat hüten musste:
     
    Fremde Hunde, die einen anwedeln, bedeuten Anschläge und Hinterhältigkeiten von nichtswürdigen Kerlen oder Weibern. (
Traumbuch
2,11)
     
    Dass Streit in Kämpfen endete, kam sogar, oder vielleicht besonders, in engagierten Gemeinschaften wie den Gruppen der ersten Christen vor:
     
    Woher kommt Streit und Krieg unter euch? Kommt’s nicht daher: aus euren Wollüsten, die da streiten in euren Gliedern? Ihr seid begierig, und erlangt’s damit nicht; ihr hasset und neidet, und gewinnt damit nichts; ihr streitet und krieget. (Jakobus 4,1 f.)
     
    Die Anfeindungen waren unterschiedlicher Art, aber auch körperliche Attacken gehörten dazu, die zu Verletzungen und sogar zum Tod führten. Zumal auf Reisen bestand außerdem immer die Gefahr von Angriffen durch Banditen:
     
    Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho und fiel unter die Mörder; die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und ließen ihn halbtot liegen. (Lukas 10,30)
     
    Wachsame Selbsthilfe war die Regel. Als die Räuber im
Goldenen Esel
das Haus eines Bürgers angreifen, werden sie von den Besitzern und ihren Nachbarn zweimal zurückgeschlagen. Bei anderer Gelegenheit ergreifen Bürger die Initiative, packen einen Verdächtigen und übergeben ihn den Behörden. Wenn ein Streitfall vor Gericht kam, konnte amtliche Gewalt wie die Prügelstrafe verlangt werden, aber in zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen war Selbsthilfe für

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