Römer im Schatten der Geschichte
Kontrolle geriet, besonders in Großstädten wie Rom, Alexandria oder Antiochia, wurden die Truppen alarmiert. Von Bedeutung ist, dass die breite Bevölkerung jederzeit und unter den verschiedensten Umständen bereit war, ihren Ärger auf gewalttätige Weise auszuleben. Es wäre zwar irreführend, wollte man sich Gewalt und Aufruhr der Menge als tägliches Geschehen vorstellen, aber die Möglichkeit bestand immer, und die Menschen zögerten nicht, sich an den Aktionen zu beteiligen.
Dass Sorgen, wie ich sie in großen Zügen dargestellt habe, das Leben der gewöhnlichen Menschen bestimmten, wird durch die magischen Papyri im Großen und Ganzen bestätigt. So lässt sich den Traumdeutungen, Horoskopen, Gebeten und Anrufungen zusammenfassend entnehmen, worauf sich die Wünsche der gewöhnlichen Leute richteten: ein gutes Leben, gesundheitliches Wohlergehen und genügend Mittel, um auskömmlich zu leben, Freunde, ein gutes Renommee und eine Stütze im Familienleben mit Kindern. In Beziehungen außerhalb der Familie suchte man eine Position von Rang, Schutz vor Feinden, Sieg über Konkurrenten, sei es in Geschäften, vor Gericht oder in der Liebe, sowie Ruhm oder gutes Ansehen im sozialen Umfeld. Die größten Ängste galten lebensverändernden Umständen, in erster Linie einer schwachen Gesundheit, Raub, Tod, Armut und sogar einer möglichen Versklavung.
Das Leben in der Gemeinschaft
In seiner Welt führte der Normalbürger ein aktives Sozialleben. Eine wichtige Rolle spielten religiöse Zeremonien und Feste. Zum Fest der Isis, dessen ersichtlich sozialer Kontext bei Apuleius geschildert ist, versammeln sich die Städter in großer Zahl, um an den Festspielen teilzunehmen. Bei Apuleius stehen die sakralen Teilnehmer im Mittelpunkt: die in den heiligen Dienst Eingeweihten, die Oberpriester und »Götter, die mit Menschenfüßen zu schreiten geruhten«. Doch die intensive Beteiligung der breiten Bevölkerung schon in der Morgendämmerung, noch vor Beginn der eigentlichen Prozession, das Beladen des Schiffs der Isis mit Körben voller Opfergaben durch die der Göttin geweihten Jungfrauen und die profanen Zuschauer, lassen ebenso wie die Begeisterung für die Tempelrituale den gesamtgesellschaftlichen Charakter solcher Feiern erkennen. Nach einem solchen Tag kehren die Menschen voller Hochgefühl in ihre Häuser zurück (11,8 – 18).
Höhepunkte der Geselligkeit waren auch die Tage der öffentlichen Spiele. Die Menge strömte schon vor einer Darbietung zusammen. Dieser konnte Unterhaltsames vorausgehen, etwa Pantomimen, und allenthalben tummelten sich Straßenverkäufer und Künstler. Die Hauptveranstaltung stärkte das Gemeinschaftsgefühl und wirkte als soziales Band – manchmal war es ein blutiges Schauspiel wie der Wettkampf von Gladiatoren, oft eine Theateraufführung oder eine zirkusähnliche Darbietung. Waffentanz, Pantomime und volkstümliches Drama, wie sie Apuleius als Einleitungen zur nachfolgenden Hinrichtung schildert, sind typische Beispiele solcher Volksbelustigungen (
Der goldene Esel
10,29 – 34).
Hinrichtungen boten eine weitere Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit zusammenzufinden. Bei Apuleius ist die Paarung eines Esels mit einer verurteilten Frau die halb komische, halb ernste »Spielart« der normalen Strafe, den Schuldigen wilden Tieren auszuliefern. Doch jedes öffentliche Schauspiel diente dem Zweck sozialer Integration. In der Regel fand am Vorabend der Hinrichtung ein öffentliches Fest statt – eine großartige Gelegenheit, sich in unterschiedlichsten Gruppierungen zu versammeln und Gratiskost zu genießen.
Große Bedeutung im alltäglichen Sozialleben außerhalb der Familie hatten die Vereine. Typisch für einen Verein waren ein gemeinsamer Berührungspunkt(Haushalt, Beruf, Hauptinteressen), ein regelmäßiger Treffpunkt, ein religiöser Zweck (zumindest dem Namen nach), die Verpflichtung zum Begräbnis der Mitglieder und der Aspekt der Geselligkeit. Die Mitgliedschaft war kostspielig. Häufig schlossen sich Gruppen von Haushalten zusammen, denen nicht nur Freie angehören konnten, sondern auch Sklaven und Freigelassene – und auch Frauen. Auch religiös orientierte Vereine konnten allen offenstehen – Männern, Frauen, Freien, Freigelassenen und Sklaven. Daneben gab es die Berufsvereine, die auf eine Produktionssparte ausgerichtet waren, zum Beispiel die der Bauarbeiter. Schließlich gab es Vereine auf lediglich geographischer oder ethnischer Basis. Diese standen Freien und
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