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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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Gelernten. Da Bücher meist ein Gegenstand des Luxus für die Reichen waren, wurde Literatur jeglichen Niveaus mündlich vermittelt. Dichter standen in Parks und an Straßenecken und rezitierten für jeden, der zuhören wollte. All das bot den Menschen Gelegenheit zur Unterhaltung, die vom Kauz im Winkel bis zur Diskussion seriöser politischer Themen reichte – dies zumindest in den ersten Jahrhunderten des Römischen Reiches, in denen viele Provinzstädte ihre Beamten selbst wählten. Während die Ämter und der aus ehemaligen Amtsträgern bestehende lokale Senat unterdem Einfluss der Elite standen, war der normale Römer von amtlichen Maßnahmen unmittelbar betroffen. Neben dem politischen Tagesgeschäft erstreckte sich die Zuständigkeit dieser Männer und namentlich der Ädilen auf öffentliche Wohltaten wie Brotverteilung und die Organisation öffentlicher Unterhaltung, der Gladiatorenspiele und Theateraufführungen. Also war das Volk sowohl aus ökonomischen als auch aus sozialen Gründen engagiert. Doch so wie in Rom selbst die gesetzgebenden Volksversammlungen im Lauf der Kaiserzeit an wirklicher Macht verloren, wurden auch die lokalen Versammlungen durch eine zunehmend mächtige, fest etablierte herrschende Klasse an die Wand gespielt.
    Trotz dieses langfristigen Trends nahmen zu jener Zeit noch viele gewöhnliche Menschen aktiv an politischen Kampagnen und Wahlen teil. Die zahlreichen Wahlgraffiti in Pompeji sind ein lebendiger Ausdruck des politischen Lebens, sowohl in ihrer Ernsthaftigkeit als auch in ihrer humorvollen Sicht:
     
    Ich bitte euch, macht den C. Iulius Polybius zum Aedilen! Er sorgt für gutes Brot! (
CIL
IV 429 =
ILS
6412 e/Arend, Nr. 640a [S. 670])
     
    Wählt den M. Casellius Marcellus! Er ist ein guter Aedil, der herrliche Spiele geben wird. (
CIL
IV 999/Arend, Nr. 640a [S. 670])
     
    Proculus, mach den Sabinus zum Ädilen und er wird dich dazu machen. (
CIL
IV 635 =
ILS
6436/Krenkel, S. 19)
     
    Andere Botschaften verraten eine Spur Humor:
     
    Den Vatia schlagen zum Aedilen vor die Spitzbuben. (
CIL
IV 576 =
ILS
6418 f/Arend, Nr. 640a [S. 670])
     
    Den M. Cerrinius Vatia erbitten als Aedilen alle Spättrinker. (
CIL
IV 581 =
ILS
6418d / Arend, Nr. 640a [S. 670])
     
    Den Cn. Helvius Sabinus erbitten als Aedilen die Knoblauchhändler. (
CIL
IV 3485/Arend, Nr. 640a [S. 670])
     
    Unterstützung der Kandidaten kam auch von Wirtschaftsgruppen:
     
    Den Marcus Holconius Priscus fordern als Bürgermeister mit Jurisdiktion die Obsthändler in ihrer Gesamtheit (zusammen) mit Helvius Vestalis. (
CIL
IV 202 =
ILS
6411 a/Schumacher, Nr. 267)
     
    Die Müller bitten darum, für Gnaeus Helvius Sabinus als Ädil zu stimmen; auch die Nachbarn wünschen das! (
CIL
IV 7273)
     
    Oder von religiösen Gruppen:
     
    Den Cn. Helvius Sabinus erbitten als Aedilen sämtliche Isisverehrer. (
CIL
IV 787 =
ILS
6420 b/Arend, Nr. 640a [S. 670])
     
    Auch geographisch Vernetzte schlossen sich zusammen:
     
    Seine Nachbarn bitten euch, für Marcus Lucretius Fronto als Ädilen zu stimmen. (
CIL
IV 6625)
     
    Ich bitte euch dringend, o Nachbarn, Lucius Statius Receptus zum Obersten Magistrat mit gerichtlicher Macht zu wählen, einen Mann, der eure Stimmen verdient. Dies schrieb Aemilius Celer, euer Nachbar. Wer immer dies voll Hass zerstört, die Krätze soll dich treffen! (
CIL
IV 3775 =
ILS
6409)
     
    Die Leute, die rund um das Forum wohnen, bitten euch, stimmt für … (
CIL
IV 783)
     
    Selbst die vom Wahlrecht ausgeschlossenen Frauen redeten ein Wörtchen mit:
     
    Wählt Gnaeus Helvius Sabinus zum Ädilen. Das bittet Junia. (
CIL
IV 1168)
     
    Es ist schwer abzuschätzen, welche Graffiti tatsächlich die Meinung des Volkes ausdrücken, denn viele sind sichtlich professionell ausgeführt. Da jährlich Wahlen stattfanden, mussten die Graffiti regelmäßig erscheinen, und für jeden neuen Urnengang wurden zweifellos Trupps von Wahlhelfern angeheuert und für diese Arbeit eingesetzt. Fairerweise muss man dennoch sagen, dass die Leute Wahlen zumindest wahrnahmen und in Bars und Bädern darüber sprachen. Viele beteiligten sich wahrscheinlich sowohl am Wahlkampf als auch an den Wahlen selbst, einem festlichen Anlass im Übrigen, bei dem Speisen und Getränke gereicht wurden. Mit der Zeit ging diese politische Aktivität vermutlich verloren, doch obwohl sie je nach Ort differierte, lieferte sie den Menschen Stoff zum Nachdenken, was umso bedeutsamer war, als die gewählten Beamten ihr tägliches Leben beeinflussen

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