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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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Frauen sind des Lebens nicht würdig. 2. Jesus sprach: Siehe, ich werde sie führen, auf dass ich sie männlich mache, damit auch sie ein lebendiger Geist werde, der euch Männern vergleichbar ist. 3. Denn jede Frau, die sich männlich machte, wird eingehen in das Königreich der Himmel. (
Das Thomas-Evangelium
, Logion 114)
     
    Auch Artemidors Traumdeutungen liegt häufig Misogynie zugrunde, so wenn der Mann mit rechts, die Frau mit links assoziiert wird (
Traumbuch
1,21) oder wenn Träume über einen Wandel vom Mann zur Frau Unglück verheißen (
Traumbuch
1,50). Seine Traumdeutungen und Horoskope sind im Allgemeinen strikt auf Männer ausgerichtet und bezogen. Männer waren durchweg der Ansicht, Frauen seien schwach und benötigten Schutz vor finanziellem oder körperlichem Missbrauch. Sie galten als kraftlos, behindert durch Mutterschaft, unerfahren (was sie in »Männerangelegenheiten« zweifellos waren), als angewiesen auf männliche Verwandte oder Vormünder, wenn es um Eigentum, Recht oder Ähnliches ging, als geschwätzig, emotional labil, launenhaft, verletzlich und triebhaft.
    Dieser männlichen Analyse zum Trotz werden Handlungen und Ansichtender Frauen aber auch gewürdigt. Die Zwiesprache zwischen Aurelia und ihrem Ehemann Aurelius ist eines der berührendsten Zeugnisse der lateinischen Epigraphik (Abb. 3). Der Ehemann Lucius Aurelius Hermia, ein Metzger auf dem Viminalis, spricht:
     
    Die mir vorangegangen im Tod, meine einzige Gattin, keusch von Natur, deren Herz völlig dem meinen vereint, treu dem treuen Gemahl, mit ihm von gleicher Gesinnung, ohne die Neigung zum Geiz ließ von der Pflicht sie nicht ab. (
ILS
7472/Geist, Grabinschriften, Nr. 30)
     
    Auf dem Grabrelief ist Aurelia ihrem Mann durch den Handschlag – die sogenannte
dextrarum iunctio
– liebevoll verbunden (Abb. 3). Sie antwortet:
     
    Dies ist Aurelia Philematio, Freigelassene des Lucius. In meinem Leben wurde ich Aurelia Philematio genannt, keusch, bescheiden, unwissend im üblen Gebaren der Menge, treu meinem Gatten. Er wurde freigelassen wie ich, er, der mir jetzt entrissen wurde – ach! Er war in Wahrheit und in der Tat wie ein Vater für mich und mehr. Er nahm mich, die erst Siebenjährige,auf den Schoß – jetzt nach mehr als 40 Jahren bin ich tot. Er blühte in all seinem Tun unter den Männern meiner treuen und festen Ergebenheit wegen. (
CIL
I 1221 = VI 9499 =
ILS
7472, Rom)
    Abb. 3. Eheliche Zuneigung: Aurelius Hermia und seine Frau Aurelia Philematio erinnern auf ihrem Grabstein an die glückliche Ehe. Das Relief wurde 1593 in einem Grab in der Nähe der Via Nomentana in Rom entdeckt.
    Aurelia Philematio ist als Muster der idealen Gattin dargestellt, wenn ihre Bescheidenheit, Vortrefflichkeit, moralische Rechtschaffenheit und Treue gelobt werden. Sie gibt diesen Idealen selbst Ausdruck, aber da ihr Mann sie überlebte und den Grabstein aufstellte, ist anzunehmen, dass es seine eigenen Empfindungen sind, denen die ihren vielleicht durchaus entsprachen. In Richmond Lattimores Sammlung griechischer und römischer Grabinschriften werden als typische weibliche Eigenschaften am häufigsten genannt: schön, liebenswert (lieb, süß, nicht streitsüchtig), fruchtbar, keusch und gute hausfrauliche Fähigkeiten. Die essenziellen Werte der Frau in den Grabinschriften sind somit Treue, Keuschheit und Fleiß. Sie müsse ihren Platz kennen; in der Gegenwart von Männern dürfe sie nicht anmaßend auftreten, sondern sie »lerne in der Stille mit aller Untertänigkeit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern stille sei« (1. Timotheus 2,11 f.).
    Die Frau war ein Mittel zum Zweck und dachte vermutlich auch von sich selbst nicht anders. Der Zweck war eine Familieneinheit, die Erben hervorbringen würde und damit ein Weg, Eigentum weiterzugeben. Es gab zwar sekundäre Möglichkeiten, aktiv zu werden, im Handel zum Beispiel, doch jede Frau, die eine davon zum vorrangigen Lebensziel gewählt hätte, hätte wählen können, wäre fürwahr
rara avis
gewesen. Begibt man sich in die Welt der römischen Frauen, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass ihre Sicht, in eigenen Worten ausgedrückt, in fast allen literarischen und archäologischen Quellen fehlt. Ausnahmen sind in erster Linie Grabinschriften (sofern wir uns die Annahme gestatten, dass einige tatsächlich von den betreffenden Frauen selbst verfasst wurden) und Papyri. Doch sogar in diesen Texten finden sich keine

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