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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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staatlicher Bauer aus dem Dorf Euphemeria im Bezirk Themistos. Am 6. des Monats Tybi, während meine Frau Aplounous und ihre Mutter Thermis badeten, wurden sie von Eudaimonis, Tochter des Protarchos, und von Etthytais, Tochter des Pees, und Deios, Sohn des Ammonios, und Heraklous angegriffen, und meine Frau Aplounous und ihre Mutter erhielten im Badehaus des Dorfes viele Schläge am ganzen Körper, so dass sie das Bett hüten muss, und in dem Streit verlor sie einen goldenen Ohrring, drei Quarter schwer, ein Armband aus ungestempeltem Gold, 16 Drachmen schwer, eine Bronzeschale im Wert von 12 Drachmen; und ihre Mutter Thermis verlor einen goldenen Ohrring, zweieinhalb Quarter schwer, und … (Rowlandson, Nr. 254)
     
    Wenn wir das Bild dieses sozialen Treffpunkts vor Augen haben, überfüllt von Männern (für die Frauen waren gesonderte Stunden reserviert), sehen wir unwillkürlich den glänzenden Marmor der Caracalla-Thermen in Rom vor uns oder die Pracht der römischen Bäder im Pariser Hôtel de Cluny und wollen darin ein Zeichen der überragenden römischen Zivilisation und Kultur erkennen. Ein Element davon enthielten sie natürlich – wer wäre von den grandiosesten dieser Einrichtungen unbeeindruckt geblieben? Aber darüber sollten wir nicht die Realität aus dem Blick verlieren: die Tatsache, dass der Besuch der Bäder den Normalbürgern ebenso wie der Elite nicht nur eine Gelegenheit zum sozialen Austausch bot, sondern die Badenden auch einem gefährlichen Mangel an Hygiene aussetzte, dessen bloße Vorstellung schockiert. Wir wissen nicht, wie oft das Wasser gewechselt wurde, doch weist nichts darauf hin, dass dies häufig der Fall war. Es gab keinen »Vorwaschgang«; das Einschäumen mit Öl und das nachfolgende Abschaben desselben als Reinigungsprozess vor dem Bad bedeutete nur, dass das vom Körper geriebene Material von einem der Badewärter in das Becken gefegt wurde. Es standen zwar hier und da Latrinen zur Verfügung, anscheinend aber benutzen einige einfach den Pool:
     
    Am schlimmsten und gefährlichsten ist es wohl, im Tempel einer Gottheit, auf dem Marktplatz, auf der Straße oder in einem Bad seine Notdurft zu verrichten; dies prophezeit den Zorn der Götter, eine große Taktlosigkeit und eine empfindliche Geldstrafe, ferner bringt es Verborgenes zutage und erweckt häufig Haß gegen den Träumenden. (
Traumbuch
2,26)
     
    Kurz: alles, was die Menschen an Unrat, Dreck, Körperflüssigkeiten und Keimen mit ins Bad brachten, hatte das Wasser alsbald auf die übrigen Badenden übertragen. Vor allem im Warmbad dürfte die Bakterienzahl astronomische Höhen erreicht haben. Obwohl das Zusammenwirken dieser Faktoren sicherlich zur Verbreitung ansteckender Krankheiten führte, gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich irgendjemand dieser Gefahr auch nur im entferntesten bewusst war. Der Rat, »die Bäder zu nehmen«, war sogar eine der Standardempfehlungen der Ärzte, so dass infizierte Personen (wie wir heute wissen) geradezu aufgefordert wurden, ihr Leiden an andere weiterzugeben, während die fortgesetzte Erkrankung durch das Wasser der Bäder unverändert als Heilung galt. Gelegentlich teilten zwar auch Kaiser die öffentlichen Badehäuser mit der gewöhnlichen Bevölkerung, doch zumindest einer blieb diesem Ort wahrscheinlich fern. Mark Aurel brachte das Abstoßende des Badeprozesses zum Ausdruck, als er schrieb:
     
    Wie dir das Baden, das Öl, der Schweiß, der Schmutz, das fettige Wasser und alles sonst als ekelhaft erscheint … (
ta eis heauton

Sellbstbetrachtungen
8,24)
     
    In den Thermen ging es auch laut und chaotisch zu. Artemidor hält fest, dass Träume von Gesang in Bädern Unglück bedeuten. Auch Träume von den Bädern selbst, meinten einige, bedeuteten Unglück, denn der ständige Lärm zeige Wirrnis im Leben an. Über den Geräuschpegel beklagt sich wortreich der Elitenspross Seneca, wenn er sich vorstellt, in einer Wohnung über einem öffentlichen Bad arbeiten zu müssen:
     
    Zum Henker mit mir, wenn wirklich für den in Studien Vertieften die Stille der Umgebung so unentbehrlich ist, wie man gemeinhin meint. Umrauscht mich doch hier der mannigfachste Lärm von allen Seiten. Meine Wohnung ist gerade über dem Bade. Nun stelle dir das bunte Stimmengewirr vor, das einen dazu bringen könnte, die eigenen Ohren zu verfluchen. Wenn Leutekräftigeren Schlages ihre Übungen anstellen und ihre mit Blei beschwerten Hände nach allen Richtungen hin in Bewegung setzen, wenn sie sich

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