Römer im Schatten der Geschichte
erwartet, dass sie Schwächen ihres Mannes duldete, die wir für schwerwiegend halten würden (z. B. Alkoholmissbrauch, Spielsucht oder Frauenaffären). Und das ungeachtet der Tatsache, dass solches Verhalten, »objektiv« betrachtet, leicht den Besitz und das Wohlergehen der Kinder in Gefahr bringen konnte. Eine gute Ehefrau sah über die Tändeleien des Gatten mit Sklavinnen und Prostituierten hinweg; solche Liebschaften kamen ihr möglicherweise entgegen, wenn sie eine Abneigung gegen ihn hatte oder weniger Kinder wollte. Unruhig wurde sie erst, wenn es um einen wirklichen Ehebruch oder um ein unverhohlenes Konkubinat ging, denn das bedrohte ihre Stellung und die ihrer Kinder. Doch die Achtlosigkeit eines Ehemanns ging oft über bloßes Fremdgehen hinaus. Gewalt und Missbrauch waren sehr verbreitet. Ein plastisches Bild davon vermitteln die misslichen ehelichen und familiären Verhältnisse, in denen Monica, die Mutter des heiligen Augustinus, ihr Leben verbrachte. Die Schilderung ihres Lebens in den
Bekenntnissen
zeigt Kränkung und Misshandlung von Ehefrauen in ihrer Stadt Thagaste als grassierendes Übel. Die Erfahrungen Monicas mit ihrem Ehemann Patricius gehören in den Haushalten der Stadt zum Alltag; die meisten Frauen sind von den Schlägen ihrer Männer auch körperlich gezeichnet. Augustinus’ Familie ist Teil der städtischen Elite, sein Vater, Patricius, ist städtischer Beamter. Monicas Erfahrungen sind also nicht typisch für die einer gewöhnlichen Frau. Es besteht aber kein Grund zu der Annahme, dass die männliche Einstellung zum Missbrauch der Frau in der Ehe bei den Nichtprivilegierten und Armen eine andere war. Man beachte die Androhung von Gewalt und die rabiate Sprache Petrons in der Schilderung Trimalchios und seiner Frau Fortunata:
Im folgenden geriet unsere Heiterkeit zum ersten Mal ins Wanken; denn als ein nicht unhübscher Bursche unter den neuen Dienern eingetreten war, fiel Trimalchio über ihn her und begann, ihn ausgiebig zu küssen. So begann Fortunata, um den Satz »Gleiches Recht für alle« als gültig zu erweisen, aufTrimalchio zu schimpfen und ihn mit »Unflat« und »Schandkerl« zu titulieren, der seine Geilheit nicht beherrschen könne. Am Ende setzte sie sogar hinzu: »Du Hund!« Trimalchio auf der anderen Seite nahm die Schelte übel und schleuderte Fortunata einen Becher ins Gesicht. Sie brüllte, als hätte sie ein Auge verloren, und schlug sich die bebenden Hände vor das Gesicht. Auch Scintilla geriet in Bestürzung und legte schützend ihren Arm um die Zitternde. (
Satyrica
74 f.)
Das Beispiel zeigt die Vulgarität, die Trimalchio bei allem Reichtum kennzeichnet – zumindest Petron glaubte also, dass sich die Subelite auf diese Weise benahm. Auch im
Goldenen Esel
wäre ein Ehemann aus Ärger darüber, dass seine Frau ihm Hörner aufsetzte, gewalttätig geworden, hätte nicht eine Freundin der Ehefrau geraten, das Feld zu räumen, bis der Ärger des Mannes verraucht war – eine Taktik, die Monicas Beifall gefunden hätte. Die Schläge selbst liegen im Rahmen des Erlaubten, wie Artemidors Deutung eines Traumes belegt: »Prügeln sollte man nur diejenigen, deren Gebieter man ist, ausgenommen die Frau; denn diese treibt Ehebruch, wenn sie geprügelt wird« (
Traumbuch
2,48).
Ein Brief auf Papyrus gibt die wortreiche Klage über einen prügelnden Ehemann wieder:
An Protarchos. Von Tryphaine, Tochter des Dioskourides. Asklepiades, mit dem ich verheiratet bin, hat meine Eltern überzeugt, mich ihm als meinem Fürsorger zu übergeben, obwohl ich selbst nicht willens war, und … [Asklepiades] ging die Ehe ein und [erhielt?] in meinem Namen auch eine Barzahlung auf meine Mitgift bestehend aus Kleidung im Wert von 40 Drachmen und 20 Drachmen in Silbermünzen. Aber mein Ankläger, Asklepiades, ist während der ganzen Ehe immer wieder ohne Grund von Hause fort, hat die erwähnten Güter verschleudert, mich gekränkt und beleidigt und mich, die er auch tätlich angriff, benutzt, als wäre ich seine gekaufte Sklavin … (Rowlandson, Nr. 257)
Gewalt in der Ehe ist selbst auf einigen Grabsteinen bezeugt. Von einer gewissen Iulia Maiana heißt es, sie sei im Verlauf eines häuslichen Streits erschlagen worden:
… der ewigen Ruhe der Iulia Maiana, einer höchst tugendhaften Frau, erschlagen von der Hand des grausamsten Ehemannes; sie starb, bevor es ihrSchicksal (so) bestimmt hat. Mit ihm (dem Gemahl) lebte sie 28 Jahre und brachte von ihm zwei Kinder zur
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