Römer im Schatten der Geschichte
vernetzter Frauen, die Kontakt miteinander halten, Informationen austauschen und ganz allgemein eine Umgebung schaffen, in der wichtige Entscheidungen getroffen werden können, die sie selbst und ihre Familien angehen.
Während den Männern das Sozialverhalten der Frauen zu denken gab, hatten die Frauen ernsthaftere Probleme. Ihre vordringliche Sorge galt der Gesundheit, der eigenen und der ihrer engsten Angehörigen, sowie dem Wohlergehen der verschiedenen Familienmitglieder. In den auf Papyrus geschriebenen Briefen von Frauen geht es vor allem um diese zwei Punkte; dazu kommen geschäftliche Schwierigkeiten, was erneut auf die aktive Rolle der Frauen innerhalb wie außerhalb des Hauses verweist. Dass Frauen sich mit Fragen der Gesundheit, vor allem der eigenen, befassten, ist nicht erstaunlich. Die häufige Erwähnung des Todes von Frauen in der Epigraphik sowie in den Briefen zeigt, wie verbreitet der Tod im Kindbett gewesen sein muss, der historisch betrachtet immer eine der Hauptursachen für die Frauensterblichkeit war. Man darf davon ausgehen, dass er den Frauen jederzeit vor Augen stand, weil die kulturelle Erwartung, Kinder zu gebären, ihre Wirkung tat.
Traumdeutungen sollten die Befürchtungen der Schwangeren zerstreuen. Artemidor hält fest, wie verbreitet Totgeburten waren:
Wenn eine schwangere Frau träumt, sie gebäre einen Fisch, so wird … das Kind, das sie zur Welt bringt, … nur kurze Zeit leben … denn jeder Fisch verendet, wenn er das ihn bergende Element verläßt. (
Traumbuch
2,18)
Entscheidend waren auch elterliche Unterstützung und Hilfe:
Die Mutter … (?) grüßt … Ptollis, Nikandros, Lysimachos und Tryphaina. Wenn es euch gut geht, dürfte es sein, wie . Ich bete zu den Göttern, euch gesund wiederzusehen. Ich erhielt das Briefchen von dir, in dem du anzeigtest, entbunden zu haben. Ich betete täglich zu den Göttern für dich: nun aber, nachdem du es überstanden hast, werde ich eine Zeit größter Freude durchleben. Ich habe dir eine volle Flasche mit Salböl und … Minen getrockneter Feigen übersandt; bitte entleere die Flasche und schicke sie mir sicher zurück, weil ich sie hier brauche. Zögere nicht, die Kleine Kleopatra zu nennen, damit du dein Töchterchen … (
P. Münch.
III 57)
Mit zunehmendem Alter der Kinder waren die Sorgen, die ihre Gesundheit, Sicherheit und Erziehung betrafen, ebenso häufig wie selbstverständlich. Der oben zitierte Brief Isidoras an ihren Bruder ist ein lebendiges Beispiel. Im folgenden Brief drückt eine Großmutter ihre Besorgnis um Tochter und Enkel aus – und klagt zugleich über mangelnde Unterstützung:
Eudaimonis an ihre Tochter Aline, Grüße. Vor allem bete ich dafür, dass du rechtzeitig gebären kannst und dass ich Nachricht von einem kleinen Jungen erhalte. Du bist am 29. fortgesegelt, und am nächsten Tag wurde ich damit fertig, [die Wolle?] herunterzuziehen … Deine Schwester Souerous hat geboren. Teeus schrieb mir einen Brief, um dir zu danken, so weiß ich, meine Dame, dass meine Anweisungen gültig sein werden, denn sie hatte ihre ganze Familie verlassen, um mit dir zu kommen. Die Kleine sendet dir ihre Grüße und lernt weiter eifrig. Sei sicher, dass ich Gott keine eifrige Aufmerksamkeit schenken werde, ehe ich nicht meinen Sohn sicher zurückbekomme. Warum hast du mir in meiner schwierigen Situation 20 Drachmen geschickt? Ich sehe mich schon nackt, wenn der Winter beginnt. Leb wohl. (
P. Brem
. 63)
Wie aus den Briefen hervorgeht, war eine weitere große Belastung die Witwenschaft und die damit einhergehende Hilflosigkeit. War die Witwe noch jung, standen ihr Möglichkeiten offen, wie der Timotheusbrief bezeugt: »So will ich nun, dass die jungen Witwen freien, Kinder zeugen, haushalten …« (1. Timotheus 5,14). Ägyptischen Quellen zufolge warendie meisten Witwen allerdings älter und nur wenige heirateten wieder – vielleicht war das Wagnis einer Schwangerschaft zu groß, vielleicht suchten die Männer jüngere Frauen und verschmähten die Witwen. In der Geschichte von Cupido und Psyche, einer Binnenerzählung im Rahmen von Apuleius’
Goldenem Esel,
wirft Venus dem Cupido Respektlosigkeit vor, und sie sagt, er behandle sie so verächtlich, wie man sonst Witwen begegne (5,30). Was auch immer die Gründe sein mochten, eine zweite Heirat war offenbar selten. Die Hilfsbedürftigkeit der Witwen war bekannt und ihre Situation oft prekär; ein Leben als Witwe war keine
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