Römer im Schatten der Geschichte
Brief der Frau. Es ist anzunehmen, dass der Dämon den Knaben nach Erhalt dieses Schreibens für immer verließ (Philostrat,
Das Leben des Apollonios von Tyana
3,38). Und selbstredend griffen Frauen zum allzeit beliebten Liebeszauber – sei es, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erzwingen:
Ich will binden dich, Nilos oder Agathos Daimon, den Demetria geboren, mit großen Leiden, und weder von Göttern noch von Menschen will ich dir reine Lösung finden, sondern du wirst mich lieben, Kapitolina, die Peperûs geboren, mit göttlicher Liebe, und du wirst auf immer unzertrennlich sein von mir, solang ich nur will. Du sollst mir zu Willen sein und keiner anderen; und auf keinen sollst du hören außer auf mich allein, Kapitolina, vergessen sollst du Eltern, Kinder, Freunde. … Ich, Kapitolina, besitze die Kraft, und du, Neilos, wirst (mir) Dank abstatten, wenn du zum Ziel kommst. … Ich will diesen Bannzauber deponieren, damit ihr mir alles erfüllt, was auf diesem Blättchen steht, um dessentwillen ich euch beschwöre, Dämonen, bei der Gewalt und der Notwendigkeit, die euch festgebunden halten. Erfüllt mir alles und eilt hinein und raubt dem Nilos, von dem der Zauberstoff ist, den Verstand, auf daß mich, Kapitolina, liebe und unzertrennlich von mir sei Nilos, den Demetria geboren, zu jeder Stunde und an jedem Tag. (
PGM
XV 1 – 13 [= Rowlandson, Nr. 285])
– oder um die Zuneigung einer anderen Frau zu gewinnen:
… Dämon, entzünde das Herz, die Leber, den Geist von Gorgonia, die von Nilogenia geboren wurde, mit Leidenschaft und Liebe zu Sophia, die von Isara geboren wurde. Zwinge Gorgonia, die von Nilogenia geboren wurde, für Sophia, die von Isara geboren wurde, ins Bad geworfen zu werden, und du wirst eine Badefrau, verbrenne, entflamme, entzünde ihre Seele, ihr Herz, ihre Leber, ihren Geist mit Begehren nach Sophia, die von Isara, geboren wurde, treibe Gorgonia an, die von Nilogenia geboren wurde, treibe sie an, quäle ihren Körper Tag und Nacht, zwinge sie in jedem Ort und jedem Haus zur Ausgestoßenen zu werden, Sophia zu lieben, die von Isara geboren wurde, sie, preisgegeben wie eine Sklavin, ihr sich selbst und all ihren Besitz zu übergeben … (Rowlandson, Nr. 286)
Auch die Religion bot den Frauen die Möglichkeit, sich in ihrer Umgebung zu behaupten. Ihr Ausschluss aus der sozialen Welt der Männerund vor allem aus den Führungsämtern im Staat und in den Kulten der Gemeinschaft wurde teilweise kompensiert durch die intensiven sozialen Kontakte während der Feiertage. Zu den Festen versammelten sich die Großfamilien, und damit erhielten die Frauen Gelegenheit, alte Verbindungen zu erneuern und sich wechselseitige Unterstützung zu sichern. Oft nahmen sie direkt und nicht nur als Zuschauerinnen an diesen Feiern teil. Der im ersten Kapitel geschilderte Massenaufzug zu Ehren der ägyptischen Göttin Isis macht die Dramatik und erregende Wirkung einer solchen Teilnahme spürbar. In seinem Roman
Äthiopische Geschichten
(5,15) schildert Heliodor ein Fest zu Ehren von Hermes mit öffentlich vollzogenem Opferritual und einem Bankett. Die Frauen aßen zusammen im Tempel und tanzten danach eine Dankeshymne an Demeter, während die Männer im Vorhof des Tempels speisten und nach dem Mahl sangen und Trankopfer spendeten. Solche Feste waren in der römisch-griechischen Welt so weit verbreitet, dass leicht übersehen wird, wie oft den Frauen damit die Möglichkeit gegeben war, zusammenzutreffen, zu feiern und sich auszutauschen.
Doch abgesehen von der Beteiligung am Rande dieser kultischen Feste, blieb das, was man »offiziell« unter Religion versteht, den Frauen weithin verschlossen. Anders stand es mit den Kulten, von denen sich Frauen eine Lösung ihrer Probleme erhoffen konnten. Die Vielzahl von Heiligtümern und Weihgeschenken im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt weist auf die aktive Rolle der Frauen in diesen Riten hin. Große Aufmerksamkeit schenkte man auch den heilenden Gottheiten. Schwer zu bestimmen ist die Rolle der Frauen in den nichtstaatlichen und nicht gemeinschaftsbezogenen Kulten wie dem Isiskult und dem Christentum – die, wie sich denken lässt, nicht anders als die übrigen nichthäuslichen Kulthandlungen von Männern vollzogen wurden; es scheint jedoch, als seien sie offener gegenüber der Beteiligung von Frauen gewesen, statt ihnen die Zuschauerrolle zu überlassen. Gerade durch diese Offenheit gewannen die Frauen auch mehr Unterstützung in
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