Römer im Schatten der Geschichte
meinem Sohn scheuen. Da aber die Weingärtner seinen Sohn sahen, sprachen sie untereinander: Das ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten und sein Erbgut an uns bringen! Und sie nahmen ihn und stießen ihn zum Weinberge hinaus und töteten ihn. Wenn nun der Herr des Weinberges kommen wird, was wird er diesen Weingärtnern tun? Sie sprechen zu ihm: Er wird die Bösewichte übel umbringen und seinen Weinberg andern Weingärtnern austun, die ihm die Früchte zu rechter Zeit geben. (Matthäus 21,33 – 41)
Der gute Pächter also bestellt das Land des Besitzers und bezahlt zur rechten Zeit, was er schuldig ist. Das Land ist jedoch nicht sein Eigentum, und das Gleichnis veranschaulicht die Spannung zwischen Pächter und Eigner, einschließlich der Möglichkeit einer Ausweisung.
In ländlichen Gegenden gab es auch scharenweise nichtversklavte Landarbeiter, die keinen Boden besaßen, aber Muskelkräfte und Fertigkeiten, die sie nach Bedarf in Pacht geben konnten. Das neutestamentliche Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg führt das Schicksal dieser Männer vor Augen:
Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am Morgen ausging, um Arbeiter zu mieten in seinen Weinberg. Und da er mit den Arbeitern eins ward um einen Groschen zum Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und ging aus um die dritte Stunde und sah andere an dem Markte müßig stehen und sprach zu ihnen: Gehet ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und neunte Stunde und tat gleichalso. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere müßig stehen und sprach zu ihnen: Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand gedingt. Er sprach zu ihnen: Gehet ihr auch hin in den Weinberg, und was recht sein wird, soll euch werden. Da es nun Abend ward, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Schaffner: Rufe die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und heb an den letzten bis zu den ersten.« (Matthäus 20,1 – 8)
Noch weniger erhält Timon in der Erzählung Lukians für seine Arbeit. Timon, ein ehemals reicher Mann, hat alles verloren und damit auch seinen gesellschaftlichen Rang. Dem Gesichtsverlust entgegenzuwirken bedeutet auch Mühsal:
Und so hat mich denn die Not auf dieses entlegene Feld getrieben, wo ich in dieser armseligen Kleidung, um einen Tagelohn von vier Obolen [d. i. ein halber Denar], die Erde grabe und so nebenher mit meinem Grabscheit und diesen öden Felsen hier philosophiere. (
Timon oder der Menschenhasser,
Bd. 1, S. 76)
Diese Männer verbrachten den Tag damit, auf Arbeit zu warten – manchmal vergeblich; sicher ist, dass die Zahl der Suchenden die Zahl derer, die Arbeit fanden, meist überstieg, so dass es leicht vorkommen konnte, dass ein Mann ohne Lohn nach Hause ging. Was die Armen in den Städten betrifft, so nimmt Martial, Dichter der Elite, in seinen Epigrammen einige Fälle ins Visier. Immens war natürlich die Zahl der Bettler. Mit rauher Stimme erbaten sie sich das Brot, das vor die Hunde geworfen würde (
Epigramme
10,5,5). Martial erwähnt eine Brücke, die, wie überhaupt alle gedeckten Plätze, Aquädukte u. ä., anscheinend Treffpunkt und Schlafplatz der Unbehausten war (
Epigramme
12,32,25). Er schildert das Dasein eines solchen Obdachlosen: aus dem Torweg vertrieben, in dem er sich verkroch, das Elend des Winters, von Hunden gehetzt,Vögel, die versuchen, ihm die kümmerlichen Bissen abzujagen – das Bild eines unbegrabenen Toten (
Epigramme
12,32,25). Im Neuen Testament sind immer wieder Bettler an Stadttoren – offenbar ein bevorzugter Platz – und an anderen Orten erwähnt. Einige versuchten zu arbeiten, wenn Arbeit sich bot – als Träger, Bote, Tagelöhner am Bau, wo immer sie gebraucht wurden. Lukian zum Beispiel nennt als typische Jobs für Arme unter anderem den Verkauf von gesalzenem Fisch, das Flicken von Sandalen und das Betteln an Kreuzungen. Durch ein öffentliches Almosengeld wurde die Lage der Armen in einigen größeren Städten zwar erleichtert, aber diese milde Gabe erreichte nur einen kleinen Teil der armen Bevölkerung des Gesamtreichs und kann als Faktor zur Untersuchung der geistigen Welt der Armen unbeachtet bleiben. Im Übrigen empfiehlt es sich, vieles unbeachtet zu lassen, was über die Armen geschrieben wurde und auf Quellen für die Stadt Rom beruht. Rom und seine Einwohnerschaft nahmen im Römischen Reich eine Sonderstellung ein, zum einen wegen
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