Römer im Schatten der Geschichte
Artapatou in der mittleren Toparchie [Bezirk], aus der Parzelle des Simias, zum Verkauf stehen, 16 Arouras [3 Hektar] katoikisches [privates] Land kaufen … Und das Eigentumsrecht soll bei Claudia und ihren Nachkommen bleiben und bei denen, die für sie handeln. (Rowlandson, Nr. 171)
Diese Frauen waren nicht nur Besitzerinnen des Landes; sie überwachten auch die landwirtschaftliche Arbeit und Organisation:
Thais sendet Grüße an ihre einzige Tigrios. Ich habe an Apolonarios geschrieben, er soll kommen und in Petne die Vermessung vornehmen. Apolinarios wird dir sagen, wie die Depositen und Steuern stehen; in wessen Namen sie sind, wird er dir selbst sagen. Wenn du kommst, nimm sechs Artabas [ca. 400 Liter] Gemüsesamen und versiegle ihn in Säcke, so dass sie bereit sind, und wenn du kannst, geh hinauf und suche den Esel. Sarapodora und Sabinos grüßen dich. Verkaufe die jungen Schweine nicht ohne mich. (Rowlandson, Nr. 173)
Als Landbesitzerinnen sammeln sie sogar selbst die Pachtgelder ein (Rowlandson, Nr. 172). Andere stellten Männer als Agenten ein, von denen sie manchmal hintergangen wurden, »aus Verachtung für den mangelnden Geschäftssinn« der Frauen (Rowlandson, Nr. 177). Ärmere Frauen verdienten sich mit Arbeit auf den Feldern ihren Lohn. Eine gewisse Thenetkueis erklärt:
… dass sie von ihm [Gemellus, Besitzer der Ölpresse] sofort in bar aus dem Hause die sechzehn Silberdrachmen als nicht rückzahlbare Anzahlung erhalten hat. Es ist somit verpflichtend, dass Thenetkueis zur Ölpresse, die Lucius Bellenus Gemellus in Euhemeria gehört, von dem Tag an, wenn er es ihr aufträgt, die Ölfrüchte trägt … und dass sie von Lucius Bellenus den täglichen Lohn erhält entsprechend dem, was die Trägerinnen im Dorf erhalten … (
P. Fay.
91.13 – 25 [= Rowlandson, Nr. 169] /Arzt-Grabner, S. 405 f.)
In weiteren Dokumenten sind Frauen erwähnt, die zum Worfeln angestellt werden. So wie andere Frauen als Weberinnen in Betrieben tätigwaren, wurden Frauen vom Land also direkt als Lohnarbeiterinnen für die Feldarbeit angeworben.
Frauen bestimmen ihr Leben
Die rechtliche Stellung der Frau lief auf eine unleugbare Benachteiligung vor dem Gesetz hinaus. Die Frau war nicht rechtsfähig und konnte nur in Ausnahmefällen in eigenem Namen handeln, da sie immer der Gewalt und der Rechtsaufsicht eines Mannes unterstand. Doch das Rechtssystem war flexibel. Ein gefälliger Verwandter konnte ihre Interessen vertreten; sie konnte einen Vormund anweisen, ihr Testament aufzusetzen; sie konnte selbst vor Gericht auftreten, wenn sie persönlich oder ihr Eigentum betroffen war; sie konnte sogar, wenn sie beschlagen genug war und ihre Rechte kannte, als Mutter von drei oder vier Kindern (die Zahl der Kinder war abhängig vom Stand) zum vollen Rechtssubjekt werden. Frauen nutzten diese Mechanismen des Systems, um als Eigentümerinnen, beim Abschluss von Verträgen, beim Aufsetzen von Testamenten und bei anderen Aktivitäten von ihren Rechten uneingeschränkt Gebrauch zu machen. Auf erwachsene Frauen aller Klassen, mit Ausnahme der obersten Schicht, entfällt sogar ein volles Fünftel der richterlichen Entscheidungen, die vom frühen 2. bis zum ausgehenden 3. Jahrhundert n. Chr. schriftlich belegt sind. Auch in Notsituationen gingen Frauen vor Gericht und warben dann manchmal mit der Masche »ach, ich Ärmste bin doch nur eine schwache Frau« um Sympathie in der männlichen Rechtswelt, die das auch tatsächlich glaubte. Das beste Quellenmaterial stammt aus Ägypten, ist aber auch übertragbar auf die Erfahrungen von Frauen in anderen Teilen des Kaiserreichs. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass die Frauen eine Lösung für ihre Probleme vorwiegend im Rechtssystem suchten, denn das Rechtssystem war korrupt, schwerfällig und von Männern aus der Elite beherrscht – alles Gründe, es nach Möglichkeit zu meiden. Aus den Dokumenten geht eine solche Einschätzung natürlich nicht hervor – Anlass zur Ausstellung dieser Urkunden waren ja gerade jene Frauen, die sich auf das System einließen –, doch kann man ihnen Hinweise darauf entnehmen, wie Frauen über die Runden kamen.
In der Ehe trugen der Besitz einer Mitgift und hilfreiche männliche Verwandte dazu bei, die Vorherrschaft des Ehemanns zu entschärfen. Meist konnte der Ehemann seine Vorstellungen durchsetzen, doch wenn die Situation sich zuspitzte, blieb als möglicher Ausweg immer noch die Scheidung. Die Mitgift diente dazu, dem
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