Römer im Schatten der Geschichte
insofern eine Ausnahme, als er sich davonmacht, statt zu warten, bis er freigelassen wird und sich, mutmaßlich im Finanzhandel, selbständig machen kann.
Diese Bilder sollten jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass solche Gelegenheiten sich einer Mehrzahl von Sklaven boten. Nur eine kleine Auswahl wurde in der Absicht gekauft oder dazu bestimmt, ins Geschäftsleben eingeführt zu werden und als Agent des Herrn zu fungieren. Aber selbst dem gewöhnlichen Haussklaven und dem Sklaven in der Landwirtschaft boten sich Möglichkeiten, ein schmales
peculium
anzusammeln und sich die Bürde der Versklavung geringfügig zu erleichtern.
Widerstand
Die in der Sklaverei erlittenen Einschränkungen und Misshandlungen führten die Sklaven natürlich auf Wege des Widerstands. Erst in einer Verbindung von Anpassung und Widerstand konnte es den Sklaven gelingen,ein Ich auszubilden, und diese Verbindung nahm in der Sklavengemeinschaft unzählige Formen an, da jeder sich seiner besonderen Situation, Begabung und psychischen Disposition gemäß anpasste. Sklavenbesitzer rechneten selbstverständlich mit Widerstand, den sie als Ungehorsam, Illoyalität und Feindseligkeit auffassten. Im ländlichen wie im städtischen Umfeld war ihnen dieses »negative« Verhalten von Sklaven und seine Verbreitung wohlbekannt.
Das Leben Äsops
ist voll von Beispielen für diese Art der Selbstbehauptung. Die Sklaven waren miteinander im Gespräch, klatschten, stachelten einander zum Ungehorsam an, widersprachen dem Herrn, wenn sie es wagten, und blickten, wenn nicht, verächtlich in seine Richtung. Die Besitzer konnten versuchen, solches Gerede einzudämmen, indem sie die Sklaven unter Aufsicht arbeiten ließen, wie Columella es empfiehlt, oder indem sie Streit unter ihnen anfachten, wie Cato nahelegt, oder durch die Bestrafung von Sklaven, die ihre Herren durch Drohungen und feindliche Gesten einzuschüchtern suchten. Aber die Absicht, dem Herrn eins auszuwischen, ließ sich nicht aus der Welt schaffen. Viele Besitzer hielten Sklaven für eingefleischte Lügner – und das waren sie in der Tat auch oft, wenn sie versuchten, sich mithilfe von Lügen begründeten oder falschen Beschuldigungen und den anschließenden Strafen zu entziehen. Salvian erklärt: »Sie müssen lügen, wollen sie sich vor der Züchtigung bewahren. Was Wunder, wenn ein Sklave in der Furcht eher lügen als sich geißeln lassen will!« (
Über die göttliche Regierung
4,3). Sklaven beklagten sich, wann immer Hoffnung bestand, ungeschoren davonzukommen, und Weinen und Wehklagen in Gegenwart ihrer Herren war ebenso wie das »Bummeln« eine Standardtaktik (Apuleius,
Der goldene Esel
9,21). Sklaven konnten sich vor der Arbeit drücken, indem sie sich versteckt hielten, um der Aufmerksamkeit zu entgehen, oder sich langsam bewegten, Aufgaben nicht beendeten und Aufträge mangelhaft ausführten. Ihre Herren glaubten dann manchmal, der Grund sei Erschöpfung oder auch einfach Faulheit; aber diese Taktiken sind in anderen Sklavengesellschaften gut dokumentiert. Ein anderes gängiges Kalkül war die Vortäuschung von Krankheit: Die Sklaven erhofften sich davon, zu Bett liegen zu dürfen oder eine Zeitlang ins »Krankenhaus« geschickt zu werden. Schließlich konnte man noch versuchen, sich unwissend zu stellen, obwohl auch das wie die übrigen Strategien zur Auspeitschung führen konnte.
Riskanter war es, offen gegen die Interessen des Herrn zu verstoßen, zum Beispiel durch Diebstahl. Aus zahlreichen ägyptischen Dokumenten geht hervor, dass man Sklaven nicht traute und dass sie dieses Misstrauen oft verdienten. Sowohl die Herren und Aufseher als auch die Herrinnen mussten damit rechnen, bestohlen zu werden. Besonders verlockend waren Nahrungsmittel:
Man sagt, sie seien unmäßig und gefräßig. Auch das ist nichts Neues. Der so oft Hunger erduldet, verlangt mehr nach Sättigung. Aber wenn er auch gerade nach Brot kein Verlangen trägt, das Verlangen nach Genüssen trägt er sicher, und deshalb ist es zu verzeihen, wenn er zu heftig das ersehnt, was ihm beständig abgeht. (Salvian,
Über die göttliche Regierung
4,3,13 – 18)
Diebstahl deckte entweder ein echtes Bedürfnis oder lieferte Verkaufs- oder Handelsware zur Mehrung des eigenen
peculium
oder war einfach ein Akt des Widerstands gegenüber dem Herrn.
Auch Sachbeschädigung war eine Form des Diebstahls, denn sie beraubte den Herrn seines Eigentums. Man konnte immer Nachlässigkeit geltend machen, und die Sabotage von
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