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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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müssen. Im
Leben Äsops
finden sich laufend Erwähnungen von Flucht als der logischen Reaktion eines Sklaven auf drohende Schläge oder andere Misshandlungen, sei es durch den Herrn oder einen Mitsklaven. Ägyptische Quellen dokumentieren die Häufigkeit von Fluchtversuchen und den Ärger, den sie dem Herrn verursachten. Die Epigraphik hat Zeugnisse für die trostlose Maßnahme hinterlassen, zu der die Herren manchmal griffen: das Sklavenhalsband. Diese Halsbänder waren mit Inschriften wie den folgenden versehen:
     
    Ich bin Sklave meines Herrn Scholastikus, eines wichtigen Beamten. Halte mich fest, damit ich nicht aus der Villa mit dem Namen Pulverata entkomme. (
AE
1892, 68, Rom)
     
    Ergreife mich, denn ich bin entflohen, und bringe mich zurück zu meinem Herrn, dem hochgeschätzten Cethegus auf dem Livianischen Markt, dritte Region der Stadt Rom. (
CIL
VI 41   335, Rom)
     
    Ich bin Asellus, Sklave des Praeiectus, eines Gehilfen des Präfekten der Getreideversorgung. Ich bin außerhalb der Mauern gegangen. Ergreift mich,denn ich bin fortgelaufen. Bringt mich zurück an den Ort, genannt »Bei der Blume«, neben den Barbieren. (
CIL
XV 7172 =
ILS
8727, Velletri)
     
    Bei der Planung und auch bei der Flucht selbst wurde von den Sklaven allem Anschein nach das
Carmen Astrologicum
benutzt. Horoskope, die auf ihre Situation Bezug nehmen, sind aufschlussreich: Der Geflüchtete wird »in die Ferne gelangen« oder »in der Nähe bleiben«; er »hält sich an die Straßen und schweift nicht umher und lässt sich nicht verwirren, sodass er seinen Ort erreicht, den er sich wünscht«; er »vergießt Blut an dem Ort, an den er kommt, sodass er darum mit Gewalt festgenommen wird, damit er an seinen Herrn zurückgeschickt werden kann«; er »hat Verdacht erregt und eine List benutzt, sodass er darum in Ketten gelegt wurde«; »der Flüchtige hat die Güter verloren, die er stahl, als er fortlief, er entfernte sich von ihnen, und der Flüchtige wird ergriffen und zu seinem Herrn zurückgeschickt werden, und Elend und Ketten werden ihn auf dieser seiner Flucht erreichen«. In sechs Horoskopen entkommt der Flüchtige mit Erfolg; in acht wird er aufgegriffen – vielleicht im Haus eines Mächtigen, und sein Herr erlangt ihn nur unter großen Schwierigkeiten zurück, oder sein Herr bekommt ihn zurück und verzeiht ihm. Letzteres ist offenbar das Szenario, das Paulus in seinem Brief an Philemon, den Herrn des Onesimus, vorschwebt. Das Leben des Flüchtigen konnte hart und sogar verhängnisvoll sein: Er konnte auf der Flucht sterben, durch Feuer oder Messer, von der Hand eines Menschen oder durch Tiere, oder durch ein Gebäude, das zusammenbrach und ihn unter sich begrub, durch Ertrinken bei Überschwemmungen oder Selbstmord, Hände und Füße konnten ihm abgehackt werden; er konnte erhängt, gekreuzigt oder lebendig verbrannt werden oder im Meer ertrinken. Insgesamt enthalten die Voraussagen praktisch alles, was einem Sklaven auf seiner Flucht zustoßen konnte, und vermitteln ein anschauliches Bild dessen, was manch einem Sklaven vor Augen stand, wenn er den radikalen Schritt tat und sein Heil in der Flucht suchte.
    Einmal auf der Flucht, konnte der Sklave, wie es der Sterndeuter angibt, unentdeckt bleiben. Um dies sicherzustellen, griff man unter anderem zur Magie. Auf einem der magischen Papyri ist festgehalten, dass ein Flüchtiger, der drei bestimmte Verse Homers, eingeritzt auf einem kleinen Eisenblatt, bei sich trägt, »nie gefunden wird«. Auch wenn man esrealistisch betrachtet – es gab keine Möglichkeit, einen Flüchtigen zu identifizieren, weil die meisten aussahen und sprachen wie die Bevölkerung, in der sie untertauchten. Wer, der ihn allenfalls anhielt, konnte wissen, ob der Verdächtigte kein freier Mann war, wenn nicht der Herr oder ein anderer erschien, ihn eindeutig beschrieb und der Flucht beschuldigte? Fehlte der übliche dokumentarische Nachweis, gab es nur wenige Mittel, den Freien vom Sklaven zu unterscheiden – charakteristische Merkmale etwa oder das Zeugnis von Freunden oder die eigene Aussage. So schließen auch Dokumente aus Ägypten Genehmigungen ein, flüchtige Sklaven ausfindig zu machen und zu bestrafen, während der jüngere Plinius über die Entdeckung von Sklaven berichtet, die sich in die römische Armee eingeschmuggelt hatten – vielen anderen war das vermutlich unentdeckt gelungen (Plinius, Briefe 10,29 f.).
    Auf seiner Flucht konnte ein Sklave bei Freunden oder ehemaligen Sklaven seines

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