Römer im Schatten der Geschichte
richtig durchgeführt wurde, musste sich nicht mit so beklagenswerten Folgen auf die Bevölkerung auswirken … Der Einfluss orientalischen Blutes wäre nicht so überwältigend gewesen.« Franks Prämissen und »Beweise« wirkten noch bis in die späten sechziger Jahre nach. Es ist an der Zeit, solches Denken aus allen Untersuchungen über die Freigelassenen zu verbannen.
Freiheit
Wenn ich über Freigelassene spreche, beschränke ich mich im Grunde auf eine besondere Gruppe: auf Sklaven, die von Besitzern in die Freiheit entlassen wurden, die römische Bürger waren. Nach einer vorschriftsmäßig durchgeführten
manumissio
wurden diese Sklaven ihrerseits zu römischen Bürgern, zu Bürgern mit einigen rechtlichen Einschränkungen, wie zu zeigen sein wird. Befreite Sklaven aus allen anderen Völkern (man denke daran, dass es vor dem frühen 3. Jahrhundert n. Chr. keine allgemeine römische Staatsbürgerschaft gab) erhielten bei der Freilassung weder das Bürgerrecht in ihrer jeweiligen Stadt noch das des römischen Staates, sondern waren den übrigen Nichtbürgern in ihren Städten – Athen, Alexandria, Antiochia – und im Kaiserreich gleichgestellt. Aus demographischen Gründen waren die Freigelassenen also auf Italien konzentriert, wo die meisten Bürger lebten, und in geringerem Maß auf den Westen des Imperiums. Seltener waren römische Bürger, und darum auchFreigelassene, im Osten des Reiches. Außerdem lebte der Großteil der Freigelassenen offenbar mehr in städtischen als in ländlichen Gebieten, da sich die Möglichkeiten einer Freilassung im Rahmen städtischer Haushalte anscheinend häufiger boten.
Zum Freigelassenen wurde man durch die
manumissio
. Wie ich im 4. Kapitel gezeigt habe, war eine Freilassung jederzeit möglich. Die Männer erhielten sie wahrscheinlich meist im Alter um die dreißig, die Frauen mit dem Ende der Gebärfähigkeit. Ausnahmen waren natürlich immer möglich, doch relativ junge Männer mit besonderen Fähigkeiten boten ihren vormaligen Herren und jetzigen Patronen besonderen Nutzen; ältere Frauen waren für den Herrn vermutlich von geringerem Wert, so dass der Haushalt leicht auf sie verzichten konnte. Doch Statistiken fehlen, und viele Sklaven wurden zweifellos nie freigelassen. Für den Besitzer konnten ebenso gut persönliche wie ökonomische Erwägungen ausschlaggebend sein; wovon seine Entscheidung im Einzelnen bestimmt wurde, wissen wir nicht.
Die rechtlichen Aspekte der Freilassung lassen sich kurz zusammenfassen: Die Freilassung konnte auf verschiedene Art vollzogen werden – unter anderem als öffentlicher und formeller Akt vor einem Magistrat oder als ganz informelle Erklärung vor Freunden oder auch als testamentarische Verfügung. Es konnte einen Unterschied bedeuten, ob man formell oder informell freigelassen wurde, denn die informelle
manumissio
führte nicht zum Erwerb des römischen Bürgerrechts; gewährt wurde dann nur eine mindere Rechtsstellung, der sogenannte latinisch-junianische Status. Man könnte annehmen, dass weit mehr Sklaven auf informellem Weg, also mit Einschränkungen, freigelassen wurden als formell, doch die relativen Zahlen sind unbekannt. Schätzungen zufolge waren bis zu vierzig Prozent oder mehr Latiner, Genaues lässt sich jedoch nicht sagen. Die Freigelassenen selbst machen in Epigraphik oder Literatur keinen Unterschied. Keiner bezeichnet sich als »latinischer Freigelassener«; in römischen Rechtsdokumenten ist fast kein Latiner erwähnt, was darauf hindeuten könnte, dass man es nicht für wichtig hielt, zwischen Freigelassenen mit voller Staatsbürgerschaft und Latinern zu unterscheiden. Beide hatten schließlich fast dieselben ökonomischen, sozialen und gesetzlichen Rechte. Die wesentliche Rechtsunfähigkeit Letzterer lag darin, Kindern kein Erbe nach römischem Rechthinterlassen zu können. Darüber hinaus war das einzige »Problem«, dass es dem latinischen Bürger verwehrt war, in Rom oder anderen Gemeinden römischer Bürger ein politisches Amt zu übernehmen. Wie ich wiederholt betont habe, war die mangelnde Amtsfähigkeit für den Mann auf der Straße kein Grund zum Ärger, und dasselbe galt zweifellos auch für die meisten Freigelassenen. Sie hatten weder Hoffnung noch Ehrgeiz noch die geringste Absicht, sich in die Reihen der lokalen Elite zu drängen, von der Elite des Reiches ganz zu schweigen. Im Umfeld der Eliten konnte der latinische Status gelegentlich von Bedeutung sein, nicht jedoch im Leben der meisten Römer
Weitere Kostenlose Bücher