Römer im Schatten der Geschichte
(
AE
1928, 77, Rom)
Eutychia, seine Tochter, errichtete dieses Grabmal für die Geister der Toten und für Titus Labienus Patavinus, ihren sehr verdienstvollen Vater, und für ihre Freigelassenen und deren Nachkommen. (
CIL
V 2970, Padua)
Aus der durch Sklaverei und Freilassung geschaffenen Verbindung ergaben sich allerdings bestimmte Verpflichtungen, die über das hinausgingen, was für den Ersatz einer Vater-Sohn-Beziehung zu erwarten war. Sie gliederten sich in zwei Kategorien: die ungeschriebenen, zahlenmäßig nicht begrenzten
obsequia
(loyales Verhalten) und
officia
(festgesetzte Pflichten), in denen die für einen Sklaven geltenden Ideale des Gehorsams und der Pflichterfüllung ihre Fortsetzung fanden, und daneben die speziell aufgelisteten
operae
(Aufgaben oder besonders geschuldete Dienste).
Obsequia
und
officia
konnten all das umfassen, was dem Ansehen in der Gesellschaft dienlich war – etwa Loyalität in Auseinandersetzungen, die Pflicht, durch aktives Auftreten als Klient die soziale Bedeutung des Patrons vor der Öffentlichkeit anzuerkennen oder ihm zu helfen, wenn er einmal in der Klemme saß. Die geschuldeten Dienste, die der Freigelassene bei der
manumissio
ausdrücklich akzeptierte, konntensehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob er im Haushalt verblieb oder sich außer Haus in Geschäften oder anderen Angelegenheiten engagierte. Sie konnten etwa ein bestimmtes Stundendeputat an Arbeiten im Interesse oder im Haushalt des Patrons umfassen. Zu beachten ist, dass keineswegs alle Sklaven ihrem früheren Herrn weiterhin verpflichtet waren; ein Sklave, der sich bedingungslos freikaufte, hatte möglicherweise keine anderen Bindungen mehr an seinen Herrn als die rein emotionalen eines ehemaligen Mitglieds der
familia
. Beide Arten von Pflichten, die formelle wie die informelle, konnten höchst unterschiedlich sein, entsprachen jedoch dem Wunsch eines früheren Herrn, Leben und Arbeit seines früheren Sklaven zum eigenen Vorteil weiterhin unter Kontrolle zu behalten. Der unmittelbare Nutzen für den Freigelassenen wiederum bestand darin, dass die Erfüllung seiner Pflichten ihm nicht nur das Wohlwollen des Patrons, sondern auch dessen Unterstützung in persönlichen und geschäftlichen Notlagen sicherte, zum Beispiel Hilfe in Rechtsstreitigkeiten oder weiteres Investitionskapital. Das Arrangement war im Allgemeinen vorteilhaft für beide Seiten.
Gegen Missbrauch war das System selbstredend nicht gefeit. Der Freigelassene konnte überheblich werden, vor allem wenn er geschäftlich erfolgreich war, und gegen die Pflichttreue verstoßen, auf die sein Patron ein Recht zu haben meinte. Die Literatur der Elite ist voll böser Worte über undankbare Freigelassene, und auch auf dem Rechtsweg versuchte man ihnen beizukommen. Für den Adel stellten allzu mächtige Freigelassene sichtlich ein Problem dar. Für die gewöhnlichen Freigelassenen hingegen war der Missbrauch durch die Patrone das Problem, zum Beispiel die Forderung übermäßiger
operae
. Unter Umständen nötigte ein Patron zu Arbeiten über die vereinbarte Zeitspanne hinaus. In den
Digesten
ist festgehalten, dass eine Freigelassene über fünfzig nicht zur Arbeit für ihren Patron gezwungen werden konnte, was also offenkundig vorgekommen war. Ebenso konnte eine Freigelassene nicht gezwungen werden, ihren Patron zu heiraten – hatte sie allerdings als Sklavin bei der Freilassung das Heiratsversprechen gegeben, musste sie es auch halten.
Weiter kam es vor, dass die Bande der Loyalität missbraucht wurden, um Dienste zu verlangen, die wegen des Alters oder der körperlichen Verfassung des Betreffenden oder wegen des vorgegebenen Zeitrahmens unzumutbar waren, so dass die Freigelassenen keiner eigenen Erwerbstätigkeitmehr nachgehen konnten. Ein Patron konnte einem Freigelassenen ein hohes Darlehen aufzwingen und ihn so durch Schulden an sich bnden. Er konnte ihn ferner zwingen, ledig zu bleiben, so dass das Erbe an ihn, den Patron, ging statt an die Nachkommen. Im Fall einer informellen Freilassung hatte der Patron die Möglichkeit – die er auch nutzte –, mit dem Widerruf der gewährten Freiheit zu drohen, was allerdings einem Rechtsbruch nahegekommen wäre. Doch hätte es genügt, ganz einfach zu leugnen, dass die Freilassung stattgefunden hatte, besonders wenn der Patron so schlau gewesen war, sie ohne Anwesenheit von Zeugen vorzunehmen. Die Behörden standen bei Streitigkeiten vermutlich aufseiten des Patrons, wie ein Beleg aus Ägypten
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